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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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herum, die junge Viktorianerin jetzt nackt und ausgezehrt – ein tanzendes, mit grauer Haut überzogenes Gerippe.
    »Wir behelligen dich doch nicht, oder doch?«, flötete sie. »Sollen wir aufhören?«
    »Ja«, lispelte die Pioniersfrau, deren Zunge zur Hälfte fehlte, und wandte mir die leeren Augenhöhlen zu. »Sollen wir aufhören?«
    Sie ahmte die gepflegte Aussprache der jüngeren Frau nach. Der Mann stimmte ein, und jetzt umkreisten sie mich zu dritt und wiederholten in einem unaufhörlichen Singsang: »Sollen wir aufhören? Sollen wir aufhören?«
    »Jaime?«
    Ich drehte mich um und sah Jeremy in der Tür des Bürozimmers stehen.
    Er kam auf mich zu und griff nach meinem Arm. Dann sah er sich um; sein Gesicht wurde hart. »Geister?«
    Ich nickte.
    Die Pioniersfrau umkreiste ihn.
    »Oooh, da seht mal, ein echter Gentleman. Ist das nicht ein schöner Mann?«
    »Sehr schön«, sagte die jüngere Frau. »Sehr fein. Zu sehr Gentleman für diese Hure.«
    Ich fuhr herum und biss mich dann auf die Lippe, hart genug, dass ich Blut schmeckte.
    Tu ihnen den Gefallen nicht, hatte Nan immer gesagt. Wenn du dir anmerken lässt, dass es dir zu schaffen macht, hast du verloren.
    Jeremy sagte etwas, den Kopf zu mir heruntergesenkt; das Haar fiel ihm in die Augen, und ich sah, wie seine Lippen sich bewegten. Er fragte wohl, was ich sah und hörte. Ich wusste, ich sollte es ihm sagen – die nötige Distanz gewinnen, indem ich es mit ihm teilte und darüber lachte. Aber alles, was ich hörte, waren die verdammten Geister.
    »Sie sieht wirklich aus wie eine Hure, nicht wahr?«, sagte die Pioniersfrau und trat näher; ihre Augenhöhlen musterten mich. »Rausgeputzt mit ihrem gefärbten Haar und dem bemalten Gesicht, tut wie eine feine Dame, aber Hosen hat sie an, die sind enger als eine Reithose, und das Hemd halb offen, damit jeder Mann, dem danach ist, einen Blick auf ihre Titten werfen kann. Wie die Dämchen in der Goldgräberstadt – tun so, als wären sie etwas Besseres, aber gib ihnen einen Dollar, und sie machen die Beine genauso schnell breit wie jede Straßenhure.«
    »Ich hab einen Dollar«, sagte der Mann. »Glaubt ihr, sie lässt mich mal aufsteigen?«
    »Natürlich lässt sie dich. Und du bist tot, brauchst dir also keine Sorgen zu machen, du könntest dir etwas zuziehen.«
    Allgemeines Gelächter.
    »Hast du die Bannmixtur mitgebracht?«, fragte Jeremy – seine Stimme drang schließlich doch noch zu mir durch.
    »Vergessen.«
    »Macht
er
sich denn keine Sorgen, er könnte sich bei dir die Pocken zuziehen?«, fragte die Pioniersfrau. »Dein feiner Herr?«
    »Feine Herren wie der da denken nicht an so was«, sagte die Viktorianerin. »Sie wissen’s nicht besser – bis es zu spät ist.«
    Die Pioniersfrau gackerte. »Und er feststellt, dass ihre Möse so ausgeleiert ist, dass er auch einen Eimer ficken könnte.«
    »Ich gehe raus«, sagte ich zu Jeremy. »An die frische Luft. Mal sehen, ob ich sie abschütteln kann.«
    »Oh, uns schüttelst du nicht ab, hübsche Frau«, sagte der Mann.
    Jeremy versuchte mitzukommen, aber ich bestand darauf, dass er blieb. Schlimm genug, dass ich keine große Hilfe dabei war, das Haus zu durchsuchen. Er widersprach, aber ich blieb fest, und nach einem langen Blick in meine Augen streifte er meine Stirn mit den Lippen und flüsterte etwas von einem Café einen Straßenblock weiter östlich.
    Die Geister folgten mir zur Hintertür hinaus in den kleinen Garten, wobei sie ihre Beleidigungen wiederholten, als hätten sie ihr Repertoire bereits erschöpft. Ich erwog, auf die Straße hinauszugehen, wo ich sie vielleicht doch noch loswerden konnte.
    »Was zum Teufel –?«, sagte eine Stimme hinter mir. Eve überholte mich mit langen Schritten und baute sich vor mir auf. »Warum hast du nicht Bescheid gesagt?«
    Sie fuhr zu dem zweigeteilten Mann herum, als er ihr zu nahe kam, und versetzte ihm einen kräftigen Tritt seitlich gegen den baumelnden Kopf. Sein Oberkörper flog zur Seite, so schnell, dass er das Gleichgewicht verlor.
    »Und jetzt setz dich wieder zusammen, sonst reißt beim nächsten Tritt die obere Hälfte ganz ab.« Sie wandte sich an die beiden anderen. »Kleider an. Skalp auf. Augen rein.«
    Sie marschierte vor ihnen auf und ab wie ein Schleifer. »Das ist eure Art, einen Nekromanten auf euch aufmerksam zu machen? Herzlichen Glückwunsch. Ihr habt euch selbst gerade auf die Schwarze Liste gesetzt. Ab sofort redet kein Nekro mehr mit euch, ganz egal, wie höflich ihr

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