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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Geister erkannten meinen »Schimmer«, wollten aber zunächst sichergehen, dass sie sich nicht getäuscht hatten. Also folgten sie mir.
    Anführerin schien die Frau in Pionierkleidung zu sein – ein schäbiges Kleid mit weißem Schulterkragen und Schürze. Zunächst schätzte ich sie nach dem eisengrauen Haar und den eingesunkenen, ledrigen Wangen auf mindestens sechzig, aber nach einem zweiten Blick fragte ich mich, ob sie überhaupt älter war als ich selbst. Der zweite Geist war eine junge Frau in einem viktorianischen Kleid mit hohem Stehkragen, deren Haar so straff hochgesteckt war, dass es die Wirkung eines Faceliftings hatte. Der Dritte war ein Mann in moderner Arbeitskleidung, groß und ungeschickt, der hinter den Frauen herschlurfte wie ein treuer Hund.
    Sie »prüften« mich, um herauszufinden, ob ich sie sehen und hören konnte, und ich versagte jedes Mal mit voller Absicht. Das ging so lange gut, bis ich eine Trennwand zwischen zwei Zimmern musterte, die mir dicker vorkam als die anderen – als könnte sie irgendein Geheimfach enthalten. Ich klopfte mich an ihr entlang und horchte auf ein hohles Geräusch, vollkommen auf meine Aufgabe konzentriert …
    »Hallo!« Das Gesicht der Pioniersfrau schoss unmittelbar neben mir aus der Wand hervor.
    Ich fuhr zusammen.
    »A-ha!«, kreischte sie. »Du kannst uns also sehen!«
    Ich versuchte es zu überspielen und sah mich um, als hätte ich irgendein Geräusch gehört. Dann spielte ich einen Schluckauf, als sei
das
der Grund für mein Zusammenzucken gewesen. Mit dem Schluckauf übertrieb ich es. Und verriet mich, genau wie Eve gesagt hatte.
    Ich suchte weiter die Wand ab, während alle drei Geister sich in ihren Versuchen abwechselten, mir Angst zu machen. Irgendwann gab ich es auf. Sie waren nicht aufgetaucht, solange ich in Gesellschaft anderer Leute war, also ging ich Hope suchen und fand sie im Schlafzimmer.
    »Hey«, sagte ich. »Irgendwas gefunden?«
    »Hier ist etwas«, sagte sie. »Aber ich bin mir nicht sicher – es kann auch einfach sein SM -Zeug sein. Vielleicht eine nicht ganz einverstandene Partnerin. Schwer zu sagen.«
    »Hey, hübsche Frau«, flüsterte mir der männliche Geist ins Ohr. »Ich hab was, das du sicher gern sehen möchtest.«
    Ich hielt den Blick auf Hope gerichtet, als sie die Augen schloss, um die Schwingungen oder die Vision besser aufnehmen zu können. Der Geist schob sich zwischen uns.
    »Hier«, sagte er grinsend. »Wirf lieber mal einen Blick auf das hier.«
    Woraufhin er – wenig überraschend – nach seinem Hosenstall griff. Es war ja nicht so, als ob mir das noch nie passiert wäre.
    Der Reißverschluss machte ein Ritschgeräusch; der Mann griff hinein, und … sein Oberkörper kippte zurück. Eingeweide quollen heraus: Die obere Hälfte seines Körpers war fast vollständig abgetrennt.
    Ich stolperte nach hinten. Die Geister schrien vor Lachen.
    »Erwischt«, sagte der Mann, den Kopf fast auf Bodenhöhe. Er kam auf mich zu; seine Eingeweide zuckten, die Wirbelsäule war alles, was seinen Körper noch zusammenhielt.
    »Jaime?«, hörte ich Hope sagen. Die Stimme klang weit entfernt.
    Ich hob beide Hände, winkte ab und murmelte etwas wie »Schon okay«. Über dem Dröhnen des Blutes in meinen Ohren konnte ich es selbst nicht hören.
    Der zweigeteilte Geist hüpfte vor mir herum; die Eingeweide tanzten. Ich holte tief Atem und versuchte die Fassung zurückzugewinnen. Dies war sein Sterbekörper. Er war wahrscheinlich bei irgendeinem Arbeitsunfall in der Fabrik umgekommen und konnte diese »Gestalt« jetzt nach Belieben wieder annehmen. Das zu wissen machte den Anblick allerdings nicht schöner.
    »Jaime?«, sagte Hope wieder.
    »Tut mir leid«, antwortete ich, während der Geist zwischen uns herumscharwenzelte. Ich zwang den Blick zu ihr zurück. »Kriegst du irgendwas?«
    »Ich glaube, ja. Aber nicht viel. Und nur einzelne Bilder. Blut, Weinen … Es ist sehr schwach, was auch bedeuten kann, dass es schon länger her ist …«
    Die Pioniersfrau machte einen Satz durch Hope hindurch. Sie war skalpiert worden; der blutige Schädel lag über den von Vögeln leergepickten Augenhöhlen blank. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und stieß einen Schrei aus.
    Hope packte mich am Arm.
    »Bloß Geister«, sagte ich, bevor sie fragen konnte. »Ich hätte dich nicht unterbrechen sollen. Mach einfach weiter mit dem, was du gemacht hast.«
    Als ich aus dem Zimmer stürzte, tanzten die Geister in ihren Sterbekörpern um mich

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