Lockruf der Toten / Magischer Thriller
ladenschildlosen Fachgeschäft für schwarzmagisches Zubehör wiederfinden würde. Solche Läden mochte es geben, aber eher im Hinterzimmer ansonsten vollkommen normaler Geschäfte. Allerdings war das Viertel, abgesehen von dem Platz, wo ich auch das Café gefunden hatte, eine reine Wohngegend – Zeile um Zeile weitgehend identischer Häuser, alle mit Basketballkörben an den Garagenwänden und sauber geparkten Minivans, die Rasenflächen gepflegt, Kinderspielzeug in der Einfahrt verstreut. Ich ließ mich von meinem Taxifahrer vor dem Café absetzen und ging dann drei der Straßen ab: Hemlock, Cedar und Hawthorne Lane. Typische Vorstadt, die Sorte Ort, wo sie Bäume fällen und dann Straßen nach ihnen benennen.
Das Haus Hawthorne Lane 52 war ein gepflegter Bungalow in einer Straße voller gepflegter Bungalows. Klein, nicht weiter aufwendig, aber in der Einfahrt stand ein glänzender Mercedes-Geländewagen, als habe Molly der Versuchung nicht widerstehen können, sich ein bisschen Luxus zu gönnen. Der Basketballkorb über dem Garagentor ließ auf Kinder schließen, aber es war kein Spielzeug zu sehen. Vielleicht waren sie über das Tretautoalter schon hinaus. Vielleicht übten sie lieber Formeln als Korbleger. Oder vielleicht hatte sie gar keine Kinder, und das Netz gehörte zur Standardausstattung des Hauses wie der plattenbelegte Weg.
Ich begann damit, dass ich gemächlich an dem Haus vorbeispazierte. Stellte fest, dass der hintere Garten mit einem Zaun vor den Blicken der Passanten geschützt war. Bemerkte eine schwarzweißrot gescheckte Katze, aber keine Spur von einem Wachhund … obwohl hinter diesem Zaun natürlich alles Mögliche stecken konnte. Bemerkte außerdem, dass Licht hinter einem Fenster brannte, von dem aus man die Einfahrt überblicken konnte, einem Fenster mit einem küchengardinenartigen Vorhang.
Es kam mir alles recht unauffällig vor – ich war einfach nur eine gutgekleidete Frau in den Vierzigern, die in einem Wohnviertel eine Straße entlangging. Nichtsdestoweniger – als die Tür von Mollys Haus sich öffnete und die Silhouette einer Frau im Türrahmen erschien, wurde mir klar, dass ich ein Problem hatte.
Wenn ich später mit Jeremy zurückkam, würde sie mich wiedererkennen und wissen, dass ich mir ihr Haus bereits angesehen hatte, und damit würde die Unterhaltung unter sehr üblen Vorzeichen beginnen. Aber ich hatte mir keine Fragen zurechtgelegt. Also traf ich innerhalb eines Sekundenbruchteils eine Entscheidung: Ich würde in ihre Richtung sehen, und wenn sie nicht weiter auf mich achtete, würde ich es riskieren und einfach weitergehen.
Ich sah hinüber. Unsere Blicke trafen sich.
Als ich den Gartenweg hinaufging, konnte ich einen ersten näheren Blick auf die Frau werfen. Sie war wahrscheinlich Ende dreißig. Kurzes blondes Haar, zu einem pflegeleichten, aber modischen Gewuschel geschnitten. Ein Koboldgesicht mit leuchtend grünen Augen, klein und solide gebaut, und sie steckte in einem Designer-Trainingsanzug – vielleicht hatte sie gerade ins Fitnesszentrum fahren wollen, vielleicht wollte sie auch nur aussehen, als sei das der Fall.
»Molly Crane?«
Ein freundliches Lächeln, wobei der einladende Gesichtsausdruck von dem wachsamen Blick ihrer Augen etwas abgeschwächt wurde. Ich suchte nach Zeichen des Wiedererkennens. Einem Durchschnittsamerikaner dürfte ich etwa so bekannt oder unbekannt vorkommen wie irgendein C-Movie-Star – sagen wir, die ewige Nebendarstellerin in Kinofilmen. Für alle, die sich für Spiritisten oder die einschlägigen Talkshows interessieren, ist mein Gesicht allerdings unverkennbar.
Und in der paranormalen Gesellschaft ist das Erkennen in der Regel entweder mit Missbilligung oder mit Verachtung verknüpft. Formelwirker wie Molly Crane können ihr Talent dazu einsetzen, sich den Lebensunterhalt zu verdienen; aber der Himmel verhüte, dass ich das Gleiche mache.
Ich bemerkte das Irgendwoher-kenne-ich-die-Blitzen in Mollys Augen und fluchte innerlich. Es wäre viel ungefährlicher gewesen, einen falschen Namen zu verwenden, aber sobald ich Geister erwähnte, würde sie wissen, wer ich war.
Ich stieg die Vortreppe hinauf und streckte die Hand aus. »Jaime Vegas.«
Ihre Augen leuchteten auf. »Meine Tochter und ihre Freundinnen nehmen jeden Monat Ihren Auftritt in der
Keni Bales Show
auf. Bitte kommen Sie doch rein.«
[home]
8 Komödie der Irrungen
E s gab keine Möglichkeit, wie ich die Einladung hätte ablehnen können, ohne Molly
Weitere Kostenlose Bücher