Lockruf der Toten / Magischer Thriller
ich mit einer sanften Brise gerechnet hatte. Und ich warf mich hinein wie jemand, den man gerade aus einem eiskalten Fluss gefischt hat, und sog die Hitze auf.
Nach mehreren weltvergessenen Minuten machte er sich los.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Das war nicht das, was …«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe angefangen.«
»Ah, ja, richtig.«
Er saß einen Moment lang einfach da, das Haar im Gesicht und schob es dann mit einer ungeduldigen Bewegung nach hinten. Ich widerstand der Versuchung, ihm die Arme um den Hals zu legen und mich in einem weiteren Kuss zu vergraben. Sein Gesichtsausdruck teilte mir mit, dass er zwar keine Einwände machen würde, dass dies aber ein Schritt war, den er noch nicht ganz zu tun bereit war.
Ich verlegte mich darauf, ihm eine Hand auf den Oberschenkel zu legen. Er legte seine darüber; seine Finger schoben sich unter meine Handfläche und drückten sie.
»Ich liebe es, wenn du unentschlossen bist«, sagte ich.
Eine Pause, als sei er sich nicht ganz sicher, ob er richtig gehört hatte, und dann ein so abruptes Auflachen, dass es fast wie ein Bellen klang. »Oh?«
Ich schob mich näher heran, Bein an Bein. Seine Hand glitt von meiner Taille zu meiner Hüfte und zog mich noch näher.
Ich sagte: »Als ich dir damals in Miami zum ersten Mal begegnet bin, warst du immer so selbstsicher, so …
federführend.
Du hast geredet, alle anderen haben zugehört. Sogar Benicio Cortez. Zum Teufel, sogar Cassandra lässt sich von dir sagen, was sie tun soll.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Sie tut einfach gern so, als wäre es ihre Idee gewesen. Ein Vampir kann nicht den Eindruck erwecken, einem Werwolf zu gehorchen – das geht einfach nicht.«
Er lachte und rieb meine Hüfte.
»Es ist ein bisschen einschüchternd, weißt du – die Gesellschaft von jemandem, der derartig selbstsicher ist. Deswegen ist es hübsch, wenn man hin und wieder einen kleinen Hinweis darauf bekommt, dass die Rüstung nicht so undurchdringlich ist, wie sie aussieht.«
»Die Rüstung ist voller Ritzen, fürchte ich. Der Kniff besteht darin, sie so blendend hell poliert zu halten, dass niemand die Löcher sehen kann.«
»Das ist das Geheimnis?«
Er sah auf mich herunter; sein schiefes Grinsen hatte etwas fast Jungenhaftes. »Ja, das ist das Geheimnis.«
Er verhielt einen Moment lang so, den Kopf etwas zur Seite gelegt, die Lippen halb geöffnet. Mein Herz begann zu hämmern. Aber dann wandte er sich wieder ab.
»Das ist eins der Probleme, wenn man der Alpha ist. Man muss mit unerschütterlicher Zuversicht handeln. Das ist der Wolf in uns. Unsicherheit macht uns nervös. Sie riecht nach Schwäche. Ein Alpha muss in allen Dingen entschieden sein. Er sollte keine Hemmungen, keine Bedenken und keine Zweifel empfinden.«
»Aber manchmal tust du’s«, sagte ich leise.
Er erwiderte meinen Blick. »Meistens tu ich’s.« Er sah wieder hinaus auf den Teich. »Ich war immer glücklich damit, der Alpha zu sein. Es ist eine große Verantwortung, aber das liebe ich daran – weniger die Macht als die Fähigkeit, Veränderungen zu bewirken. Aber manchmal … in letzter Zeit …« Er nahm die Hand von meiner und schob sich das Haar aus dem Gesicht. »Manchmal gibt es Einschränkungen …, die ich mir nicht aussuchen würde, wenn ich eine Wahl hätte. Hierherzukommen zum Beispiel wäre für die meisten Leute eine ganz einfache Angelegenheit. Buchen und fahren.«
»Aber du hast Verantwortlichkeiten.«
»Nicht nur das. Allein hierherzukommen, ohne Verstärkung, ohne einen Leibwächter …« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ich dir jetzt erzählte, wie viel Arbeit das war, würde es ganz einfach lächerlich klingen. Aber ich bin der Alpha. Ich kann nicht tun, was ich will, oder gehen, wohin ich will. Selbst ein Außenseiterwerwolf, der eigentlich gar nichts gegen mich hat, würde erwägen, mich anzugreifen, wenn wir uns begegneten. Den Rudelalpha umgebracht zu haben würde seinen Status in unserer Welt festigen. Sein ganzes restliches Leben würde jeder andere Werwolf, den er träfe, ihm aus dem Weg gehen. Der Alpha vor mir – Antonios Vater – war unbestritten der beste Kämpfer seines Rudels, aber er hat das Rudelterritorium nie ohne Leibwache verlassen. Es anders zu machen bedeutet, die Stabilität des Rudels zu gefährden – wegen einer so selbstsüchtigen Sache wie etwas Privatsphäre …«
Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. »Es tut mir leid. Ich habe mir nie
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