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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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bemüht, den weit entfernt stehenden Bildschirm zu erkennen. Sie war groß und schlank, vielleicht Ende vierzig, mit kurzem, grau durchzogenem braunem Haar, einer langen aristokratischen Nase und einer eleganten Brille. Sie sah auf.
    »Jetzt haben Sie mich dabei erwischt, dass ich meine Aktien überprüfe.« Ihre Stimme war leise und angenehm, mit einem Akzent, den ich nicht gleich einordnen konnte. »Ganz üble Angewohnheit. Ich weiß, ich sollte die schlechten Tage einfach aussitzen, aber ich kann’s mir nicht verkneifen, zwischendurch nachzusehen.« Sie legte Hope beide Hände auf die Schultern – eine Art halbe Umarmung. »Schön, dich zu sehen.«
    Hope stellte uns vor.
    May umfasste meine Hand mit einem festen, warmen Griff. »Jaime Vegas. Ich habe etwas davon gelesen, dass Sie zurzeit hier in der Stadt sind. Ein Fernsehspecial, stimmt’s?«
    »Ja. In Brentwood. Wir versuchen den Geist von Marilyn Monroe zu beschwören.« Ich verdrehte die Augen. »Purer Schrott, aber unterhaltsam … hoffen wir.«
    »Da habe ich überhaupt keine Zweifel. Vor ein paar Jahren war ich mal in einer von Ihren Shows hier in L.A.«
    »Oh?« Ich brachte ein Lachen zustande. »Haben Sie mich überprüft?«
    »Nein, um genau zu sein, ich habe meine Mutter begleitet. Mein Vater war ein paar Monate zuvor gestorben, und sie hat es ziemlich schwer genommen. Sie war nie ein religiöser Mensch gewesen, und ich glaube, das hat es für sie noch schwieriger gemacht. Sie brauchte …«, May schob die Lippen vor, als suchte sie nach dem richtigen Wort, »… etwas tröstliche Gewissheit vielleicht. Aus unseren Unterlagen habe ich gewusst, dass Ihre Shows das sehr wirkungsvoll liefern können. Positiver Spiritismus. Ich hatte gehofft, es würde ihr helfen, und das hat es auch getan.«
    »Oh.«
    »Sie sehen schockiert aus.« Ein amüsiertes Funkeln erschien in ihren dunklen Augen, und sie legte mir eine Hand auf den Arm. »Etwa so, als würde jemand von der Heilsarmee einen Abstecher in die Bar vorschlagen? Stellen Sie sich lieber so etwas Ähnliches wie
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vor. Wir sagen nicht, dass die Leute dem Paranormalen vollständig den Rücken kehren sollten. Nur, dass man verantwortungsvoll an die Sache herangehen sollte. Zu Unterhaltungszwecken, ja. Um Trauernden etwas Frieden zu schenken, ja. Wenn es missbraucht wird – dann fangen wir an, uns Gedanken zu machen.«
    Sie führte uns durch das Foyer, während sie weitersprach.
    »Es heißt ja, wenn man bei einem Zyniker an der Oberfläche kratzt, findet man einen enttäuschten Idealisten unten drunter. Das gilt für viele von unseren Mitgliedern, mich selbst eingeschlossen. Manche von uns haben schlechte Erfahrungen mit paranormalen Schwindlern gemacht. Andere, so wie ich selbst, sind vom Paranormalen fasziniert und enttäuscht über unsere Unfähigkeit, einen Beweis für seine Existenz zu finden.«
    Sie öffnete eine Tür und führte uns in ein riesiges Sprechzimmer. »Als Kind habe ich Geschichten über Hexen, Vampire, Werwölfe, Geister verschlungen – ich habe gar nicht genug davon kriegen können. Als Teenager habe ich mich dann auf die Suche gemacht, wie so viele Leute es tun. Geisterjägerei, paranormale Gruppen, religiöse Experimente. Nichts, was ich nicht ausprobiert hätte. Eine Enttäuschung nach der anderen. Dachte ich jedenfalls, bis mir aufgegangen ist, dass ich eben doch etwas gewonnen hatte. Wissen. Ich war ein gebranntes Kind; ich habe die Täuschungsmanöver durchschaut. Zusammen mit ein paar anderen, die ich bei alldem kennengelernt hatte, habe ich beschlossen, meine Erfahrungen für etwas Nützliches zu verwenden, und damit war die Ehrich Weiss Society geboren.« Sie warf einen Blick zu uns herüber. »Wissen Sie, wer Ehrich Weiss war?«
    In meiner Erinnerung tat sich ein gähnendes Loch auf, und ich bin mir sicher, mein Gesichtsausdruck muss es widergespiegelt haben.
    »Harry Houdini«, sagte Jeremy.
    May nickte. »Der Name, den wir uns ausgesucht haben, spiegelt unsere eigene Einstellung. Harry Houdini war nicht nur Entfesselungskünstler, er war zu seiner Zeit sowohl ein Sucher als auch ein Aufklärer. Er hat viele falsche Paranormale entlarvt und jedem Medium, das unter strengen Laborbedingungen einen Beweis für den Kontakt mit dem Jenseits erbringen konnte, zehntausend Dollar versprochen. Aber er hat seiner Frau auch eine ganz bestimmte Nachricht ausgehändigt für den Fall, dass er selbst aus dem Jenseits Kontakt aufnehmen würde. Er hat

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