Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
Vom Netzwerk:
Jahrhundert, wenn es unsere Familie dann noch gibt. Du hast mich einmal gefragt, Leyla, warum Theo, Martha und ich nicht verheiratet sind. Du sagtest, daß Martha mit ihren zweiunddreißig Jahren hier die jüngste ist. Dir ist natürlich auch aufgefallen, auch wenn du niemals etwas darüber gesagt hast, daß es hier im Haus keine Kinder gibt. Seit Thomas’ Tod und seit deine Mutter mit dir fortgegangen ist, gibt es auf Pemberton Hurst keine Kinder mehr.«
    »Wegen des Fluchs«, sagte ich mit Bitterkeit.
    »Richtig. Wir können nicht zulassen, daß dieses Erbe immer weitergegeben wird. Es muß damit ein Ende haben. Wenn unsere Vorfahren schon vor langer Zeit diese Einsicht gehabt hätten, dann säßen wir heute nicht hier; dann wären wir heute nicht mit dem gleichen Schicksal konfrontiert, dem Onkel Henry preisgegeben ist. Nein, warte, Leyla«, sagte er rasch, als ich etwas einwerfen wollte. »Laß mich aussprechen. Ich weiß, daß du nicht an diese Erbanlage glaubst, aber das wird sich ändern. Ich habe gesehen, was mit deinem Vater geschah, wie es unserem Großvater erging, und ich sehe, was jetzt mit Onkel Henry geschieht. Theo und Martha, du und ich, wir werden alle zu gegebener Zeit den gleichen Weg gehen. Der Bruder unseres Großvaters war noch ein junger Mann, als er der Krankheit erlag. In den Dreißigern erst.«
    »Nein, Colin, ich glaube das einfach nicht.«
    »Aber die anderen Pembertons glauben es, und darum haben wir vor langer Zeit beschlossen, diesem Elend ein Ende zu bereiten. Darum haben wir beschlossen, die Familie aussterben zu lassen.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Darum hat also keiner von euch geheiratet?« Er nickte.
    »Aber, das ist doch verrückt. Es ist völlig unnatürlich und verstößt gegen den Willen Gottes, nicht zu heiraten und keine Kinder in die Welt zu setzen. Ihr habt kein Recht, euch eine solche Entscheidung anzumaßen.«
    »Meinst du? Glaubst du denn, es ist Gottes Wille, daß Kinder geboren werden, die sich eines Tages in Ungeheuer verwandeln wie wir, ihre Eltern? Haben wir das Recht, solche Kinder in die Welt zu setzen? Kannst du, Leyla, ruhigen Herzens ein Kind zur Welt bringen, bei dem du von vornherein weißt, daß es dazu verdammt ist, genauso zu enden, wie dein Vater endete?«
    »Den Fluch gibt es nicht!«
    »Ich habe nicht erwartet, daß du mir jetzt zustimmen würdest. Aber du wirst deine Meinung noch ändern.«
    Ich starrte schweigend ins Feuer, voller Groll plötzlich gegen Colin. Seine Worte hatten mich stark aufgewühlt. Ich wußte nicht, was ich denken sollte.
    »Deshalb«, sagte ich schließlich, »war Onkel Henry gegen meine Heirat mit Edward.«
    »Ja. Und mit Recht.«
    »Nein! Ich heirate, wen und wann ich mag. Colin!« Ich sah ihn mit zorniger Herausforderung an. »Findest du das alles denn richtig?« Er erwiderte meinen Blick und meine Worte mit einem Ausdruck von solcher Traurigkeit, daß ich mich abwenden mußte. »Es muß eine Lösung geben«, erklärte ich grimmig entschlossen. »Und ich werde sie finden. Colin… Colin, du bist genauso kleinmütig wie die anderen, das hätte ich nicht von dir erwartet. Aber ich lasse mir den Mut nicht nehmen. Ich werde kämpfen und beweisen, daß ihr alle unrecht habt. Und ich werde mit Edward zusammen Kinder bekommen, die kräftig und gesund sind und ein ganz normales Leben führen werden.«
    Ich hatte geglaubt, er würde mir darauf mit Vorhaltungen antworten und versuchen, mich zu entmutigen, aber er sagte gar nichts, sondern sah mich nur still an.
    »Ich werde die Lösung finden«, flüsterte ich etwas weniger kämpferisch. »Gott helfe dir bei der Suche.«

 
    10
     
     
     
    Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Gertrude hatte mir zwar noch einen kleinen Imbiß und eine Tasse Schokolade gebracht, ehe ich zu Bett gegangen war, aber das hatte nichts geholfen. Die Aufregungen des Tages wirkten nach. Als ich schließlich doch eingeschlafen war, hatte Dr. Youngs späte Ankunft mich aus dem ersten Schlummer gerissen, und danach hatte ich Mühe, wieder Ruhe zu finden. Kein Wunder, daß ich mit leichten Kopfschmerzen erwachte, als das erste graue Licht des Tages ins Zimmer fiel.
    Es war so kalt, daß ich noch eine Weile unter der Decke liegenblieb. Ich versuchte die Gefühle heraufzubeschwören, die mich am vergangenen Tag im Wäldchen bewegt hatten, aber der Nachmittag war mir so fern, als wären Monate vergangen. Colins Worte waren es, die mich vor allem bewegten, sein ruhiges Hinnehmen eines heimtückischen

Weitere Kostenlose Bücher