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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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am Drucker gelegen haben. So etwas kommt vor. Was ist, Miss Pemberton, das scheint Sie nicht zufriedenzustellen?«
    »Ich weiß nicht, Dr. Young, ich kann es nicht genau sagen. Es ist wie eine Vorahnung. Wahrscheinlich ist es vollkommen überflüssig, aber könnten wir uns nicht Ihr Buch einmal ansehen?«
    Er zog die Brauen hoch. »Aber sicher, wenn Sie das möchten. Sie werden nur einen Moment Geduld haben müssen. Ich muß es erst heraussuchen – ah, da kommt Mrs. Finnegan mit dem Tee.«
    Ich bemühte mich, die argwöhnische Haushälterin mit einem liebenswürdigen Lächeln zu gewinnen, aber sie blieb streng und unzugänglich. Nun ja. Ich würde mir von ihr diesen gemütlichen Nachmittag nicht verderben lassen.
    Dr. Young schenkte mir galant den Tee ein, bot mir Biskuits an, plauderte mit mir, und ich lehnte mich in meinem Sessel zurück, genoß die Wärme des Feuers, die Freundlichkeit meines Gastgebers und vergaß für eine Weile sogar Thomas Willis’ Buch.
    »Was sagten Sie da eigentlich vorhin von einer Testamentseröffnung, Miss Pemberton?« fragte Dr. Young interessiert.
    »Ach, gestern abend kam Mr. Horton, der Anwalt der Familie, und teilte uns mit, daß mein Onkel kein Testament hinterlassen hat. Für diesen Fall hatte jedoch mein Großvater, Sir John, in seinem Testament eine Klausel eingesetzt, die das Erbe regelte. Sonst, sagte Mr. Horton, hätte die Angelegenheit vor Gericht geregelt werden müssen.«
    »Ah, ich verstehe. Sir John hatte Vorsorge getroffen.«
    »Ja, und Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Aufregung es daraufhin gab. Er hat nämlich alles Colin vermacht, und Theo bekommt gar nichts.«
    »Wie bitte?« Dr. Young stellte seine Tasse nieder und starrte mich verblüfft an. »Sagten Sie, Colin hat geerbt? Er ist Alleinerbe?«
    »Ja, Theo, als der älteste Enkel, hätte wahrscheinlich auch bedacht werden müssen, aber Sir John scheint Colin für den Geeigneteren gehalten zu haben. Oh, wenn Sie erlebt hätten, wie außer sich Theo war…« Ich sah den merkwürdigen Ausdruck auf seinem Gesicht und fragte: »Ist etwas, Dr. Young?«
    »Ich finde es nur höchst überraschend.« Er nahm wieder seine Tasse und trank einen Schluck. »Unbegreiflich fast, wenn man bedenkt.«
    »Wenn man was bedenkt, Doktor?«
    »Wenn man bedenkt, daß Colin gar kein Pemberton ist.«
    Ich war fassungslos. »Was?«
    »Wußten Sie das nicht? Ihr Onkel Richard heiratete Colins Mutter, als dieser noch sehr klein war. Gerade zwei Jahre alt, glaube ich. Richard adoptierte den Jungen, er ist also von Rechts wegen ein Pemberton; der Geburt nach stammt er jedoch aus einer anderen Familie. Gott, wie war doch gleich der Name?«
    »Woher wissen Sie das alles, Doktor?«
    »Dr. Smythe war nicht nur ein guter Arzt, sondern auch ein Mann, der akribische Aufzeichnungen, machte. Mir liegen die Geschichten sämtlicher Familien im Umkreis von zwanzig Meilen vor, darunter auch alle Daten über die Pembertons. Wenn ich mich recht erinnerte, heiratete der Bruder Ihres Vaters im Jahr 1825 eine Witwe mit einem kleinen Sohn. Das war Colin. Einige Monate nach der Hochzeit wurde Dr. Smythe ins Haus gerufen, weil die junge Mrs. Pemberton sich unwohl fühlte. Es stellte sich heraus, daß sie ein Kind erwartete. Im selben Jahr wurde Martha geboren…«
    Dr. Young berichtete weiter, aber ich hörte nicht mehr zu. »Miss Pemberton?«
    Ich blickte verwirrt auf. »Oh, verzeihen Sie, Doktor, ich war ganz in Gedanken.«
    Ja, tausend Gedanken waren mir durch den Kopf gegangen. Warum hatte Colin mir nie erzählt, daß er kein Pemberton war und deshalb nicht vom schrecklichen Erbe der Familie bedroht? Ich begriff jetzt, warum Theo so erbittert gewesen war, als er von Sir Johns Regelung des Erbes erfahren hatte. Und jetzt war mir auch klar, warum Colin keine Ähnlichkeit mit uns anderen hatte.
    »Die Nachricht scheint Sie sehr getroffen zu haben, Miss Pemberton. Sie sind ganz blaß. Wieso nimmt Sie das so mit?«
    Weil ich Colin liebe, hätte ich am liebsten geschrien, und weil die Tatsache, daß er mir nichts gesagt hat, einer Lüge gleichkommt.
    »Es – es nimmt mich nicht mit, Dr. Young. Ich bin nur sehr überrascht. Ich dachte Colin sei mein Vetter, ein Blutsverwandter. Aber dem ist nicht so. Und er braucht den Tumor natürlich nicht zu fürchten.«
    »Nein, das ist richtig. Wobei mir einfällt – « Dr. Young leerte seine Tasse und stand auf – »wollen wir uns jetzt einmal meine Ausgabe von Cadwalladers Buch ansehen?«
    Mit seinem Gespür

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