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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Miss Pemberton, ist nicht an einem Gehirntumor gestorben.«
    Ich sah den Mann, der immer noch fest meine Hände hielt, ungläubig an. Das Zimmer schien mir zu schwanken, und mir wurde plötzlich unerträglich heiß.
    »Er ist nicht an einem Gehirntumor gestorben?« wiederholte ich benommen. »Onkel Henry ist nicht an einem Gehirntumor gestorben? Aber – aber wissen Sie dann, Doktor, woran er wirklich gestorben ist?«
    »Ja. Und es gibt keinen Zweifel an meinem Befund. Erinnern Sie sich unseres Gesprächs in Ihrem Zimmer, als wir über die Symptome Ihres Onkels sprachen? Ich sagte Ihnen damals, daß sie völlig atypisch seien. Jetzt weiß ich, warum das so war. Kopfschmerzen, Übelkeit, Leibschmerzen, Delirium und Schüttelkrämpfe gehören zum Krankheitsbild eines Leidens, das von völlig anderer Art ist als ein Gehirntumor. Und hätte ich in meiner Praxis mehr Umgang damit gehabt, so hätte ich es viel eher erkannt. Ich habe zu bereitwillig die Diagnose des Gehirntumors akzeptiert.«
    »Bitte sagen Sie mir, Doktor, was Sie entdeckt haben.«
    »Miss Pemberton, das Blut Ihres Onkels enthielt eine hohe Menge Digitalis. Extrakt des Fingerhuts. Da ich selten mit Patienten zu tun hatte, die an Herzkrankheiten litten, bin ich den Symptomen, die für eine Digitalisvergiftung so typisch sind, auch selten begegnet. Aber wenn ich jetzt zurückblicke, die Kopfschmerzen, die Übelkeit – «
    »Dr. Young! Warum hat mein Onkel dieses Medikament genommen?«
    Einen Moment lang sah Dr. Young mich schweigend an, dann antwortete er ernst: »Die Mengen Digitalis, die Ihr Onkel im Blut hatte, dienten nicht der Behandlung eines Herzleidens. Man hat ihm das Mittel gegeben, um ihn zu vergiften.« Mir wurde eiskalt. »Man hat ihn vergiftet?«
    »Ja. Die Medizin wurde ihm in zunächst kleinen Mengen eingegeben, die langsam gesteigert wurden, und er versuchte, sich mit Laudanum von den Symptomen zu befreien. Es ist schwer zu sagen, was ihn letzten Endes tötete – das Digitalis oder das Morphium. Sein Blut enthielt große Mengen von beidem.«
    »Und Sie sagen, es wurde ihm eingegeben?«
    »Er hat es zweifelsohne nicht selbst genommen. Digitalis ist ein Herzmittel, und Ihr Onkel hatte am Herzen keinerlei Beschwerden. Das hätte er mir sonst gewiß gesagt, als ich ihn das erstemal untersuchte. Im übrigen enthalten auch Dr. Smythes Aufzeichnungen keinen Hinweis auf ein Herzleiden Ihres Onkels.«
    »Sie glauben also, daß mein Onkel ermordet wurde.«
    »Ja, Miss Pemberton, das glaube ich.«
    Fassungslos sank ich in mich zusammen. Mir war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Erst die Sache mit Colin, dann das Buch, dann Henry. Mein Kopf begann wieder zu schmerzen. »Wir müssen zur Polizei gehen, Miss Pemberton.«
    »Zur Polizei?«
    »Ich werde Ihnen beistehen. Wir haben unumstößliche Beweise, daß Ihr Onkel ermordet wurde – «
    »Nein!« sagte ich hastig. »Was könnte denn die Polizei schon tun? Soll sie vielleicht die ganze Familie verhaften? Man würde lediglich einen nach dem anderen verhören, und dann alle wieder gehen lassen. Und dann wären wir beide in Gefahr, Dr. Young, Sie und ich…« Noch während ich sprach, kam mir ein neuer Gedanke. »Dr. Young, Sie sagten neulich bei unserem Gespräch, daß Dr. Smythes Aufzeichnungen zufolge, mein Vater und mein Großvater auf die gleiche Weise erkrankten wie mein Onkel.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Dann müssen sie auch ermordet worden sein.« Ich richtete mich kerzengerade auf. »Dann hatte ich also die ganze Zeit recht. Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen. Mein Vater wurde tatsächlich ermordet.«
    »Ich kann das nicht beurteilen, Miss Pemberton. Ich kann nur zum Tod Ihres Onkels aussagen. Die anderen – das liegt in der Vergangenheit. Dahin können wir nicht mehr zurückkehren.«
    Ich kniff die Augen zusammen. »O doch, das können wir!« erklärte ich beinahe triumphierend. Es gab einen Weg, in die Vergangenheit zurückzukehren und zu sehen, was damals wirklich geschehen war. Der Weg führte über die Erinnerungen eines kleinen Mädchens namens Leyla Pemberton.
    »Meiner Ansicht nach gehen Sie mit dieser Geschichte nicht richtig um, Miss Pemberton. Wenn Sie jemanden aus Ihrer Familie des Mordes verdächtigen, sollten Sie sich an die Polizei wenden. Sie dürfen diese Sache nicht selbst in die Hand nehmen. Das ist zu gefährlich. Miss Pemberton, bitte, gehen Sie zur Polizei. Ich müßte sonst bedauern, Sie eingeweiht zu haben.«
    »Ich wäre der Wahrheit

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