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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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plagten mich schon wieder; und zweitens wollte ich Dr. Young Thomas Willis’ Buch zeigen.
    Zu meiner großen Erleichterung öffnete mir auf mein Klopfen eine handfeste ältere Frau mit einer fleckigen Schürze um den runden Bauch und einem Häubchen auf dem grauen Haar. Sie begutachtete mich mit unverhohlener Verwunderung, als sie sah, daß ich allein gekommen war.
    »Sind Sie krank?« fragte sie, mich einfach vor der Tür stehen lassend. »Nein. Ist Dr. Young zu Hause?« fragte ich ein zweites Mal. Sie warf einen Blick auf meinen Bauch, vermutlich um festzustellen, ob ich schwanger sei. »Erwartet er Sie?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Wir sind miteinander bekannt. Ich komme von Pemberton Hurst und – «
    Sie machte ein so erschrockenes Gesicht, daß ich abbrach. Ja, ich kam aus diesem Haus, über das man sich so viele Geschichten erzählte. Was hatte diese Frau nur über uns gehört?
    Dr. Young, der unversehens hinter der Haushälterin auftauchte, rettete mich schließlich vor weiterem Verhör.
    »Hallo, Miss Pemberton. Das ist aber eine Überraschung. Treten Sie doch ein.«
    Die Haushälterin trat widerstrebend zur Seite, beäugte mich aber weiterhin mit Argwohn.
    »Mrs. Finnegan, es ist Teezeit. Würden Sie uns den Tee bitte in den Salon bringen?«
    Ich war froh, als sie endlich ging.
    Dr. Young nahm mir Cape und Hut ab, hängte beides auf und erkundigte sich freundlich nach meinem Befinden.
    »Ich habe wieder einmal Kopfschmerzen und kein Laudanum mehr.«
    »Ah ja.« Er betrachtete mich mit einiger Besorgnis. »Es sind die Umstände, Doktor. Erst Onkel Henrys Tod, dann gestern abend die Testamentseröffnung, heute die Beerdigung und dazu dieses schreckliche Wetter…«
    »Ja, natürlich.« Er führte mich aus der kleinen Empfangshalle in ein sehr gemütliches Wohnzimmer. »Dort drüben«, sagte er und wies auf eine Verbindungstür, »sind mein Sprechzimmer und mein Behandlungsraum. Unten im Keller ist mein Laboratorium, wo ich nach Mrs. Finnegans Meinung mit dem Teufel Hand in Hand arbeite.«
    Lachend setzte ich mich nieder. Dr. Young hatte mir augenblicklich alles Unbehagen genommen.
    »Ich freue mich sehr, daß Sie gekommen sind, Miss Pemberton. Es war mir eine solche Freude, nach Jahren des Schweigens wieder von meinem alten Freund Oliver Harrad zu hören. Nachdem ich gestern nach Hause gekommen war, habe ich ihm sofort geschrieben. Man sollte nicht die Verbindung zueinander verlieren, nur weil man räumlich getrennt ist.«
    Er setzte sich mir gegenüber und beugte sich über den Tisch, wo ich das Buch abgelegt habe.
    »Ich sehe, Sie haben mir ein Buch mitgebracht. Ah ja, Cadwalladers Ausgabe der gesammelten Werke von Thomas Willis. Und da haben wir ja Mr. Willis persönlich.« Er betrachtete das Porträt. »Ja, ich bin sicher, daß ich das Buch auch irgendwo habe. Ich hatte noch keine Zeit nachzusehen.«
    »Mir kommt es nur auf eine Seite in dem Buch an, Doktor. Würden Sie sich die einmal ansehen? Es dauert nicht lange, das verspreche ich.« Er lächelte. »Nun, dann werde ich sie wohl lesen müssen.« Ich blätterte bis zu der angemerkten Stelle, schob ihm das Buch wieder hin und wartete gespannt, während er las.
    Es dauerte nicht lange, da sah Dr. Young wieder auf, das Gesicht sehr ernst. »Jetzt verstehe ich, Miss Pemberton, warum Sie es für wichtig hielten, daß ich mir das ansehe. Hier ist der Beweis für den Pemberton Tumor, noch dazu dokumentiert von einem der geachtetsten Wissenschaftler der Geschichte der Medizin. Das ist höchst interessant. Ich bin beeindruckt.«
    »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, Doktor?«
    »Noch etwas? Nein.«
    Ich schlug mir an die Stirn. »Natürlich, es kann Ihnen ja nicht aufgefallen sein. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.« Ich griff nach dem Buch und blätterte eine Seite zurück.
    »Schauen Sie«, sagte ich, »hier schreibt er das Wort Fieber ohne e, und so ist es, so weit ich gelesen habe, im ganzen Buch, auch vorn im Inhaltsverzeichnis. Aber hier – « ich blätterte wieder um und zeigte auf die entscheidenden Stellen – »ist das Wort Fieber mit ie geschrieben. Finden Sie das nicht auffallend?«
    Dr. Young sah mich etwas verblüfft an. »Ich sagte Ihnen ja, daß mir von Thomas Willis vor allem seine eigenwillige Rechtschreibung im Gedächtnis geblieben ist. Beim Abdruck seines Werks hat man wohl das falsch geschriebene Fieber übernommen, aber hier auf dieser Seite versehentlich einen Stilbruch begangen und die richtige Schreibung eingesetzt. Das kann

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