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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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nichts anfangen. In Kanada gibt es ein Labor, das solche Tests anhand von Knochen oder Zähnen durchführen kann, aber das ist eine sehr teure Angelegenheit und dauert lange. Und das Haar aus der Bürste ist auch nicht ideal. Wir brauchen mindestens zehn bis fünfzehn Haare mitsamt den Follikeln, und die Probe sollte vor maximal zehn Tagen entnommen worden sein.«
    Ich greife nach Trishs Haarbürste. Typisch Teenager, die Bürste sieht aus, als würde sie nie gereinigt – seit sie in Gebrauch ist. In den Borsten haben sich viel mehr als fünfzehn Haare verfangen. Und da Trish erst vor zwei Tagen weggelaufen ist, kann ich annehmen, dass zumindest ein paar davon frisch genug sind.
    »Okay, der Zahn nützt uns also nichts. Womit könnten wir es denn noch versuchen?«
    Sie erkundigt sich nach den Umständen, unter denen der Vater verstorben ist, und ich erkläre ihr, was Steve zugestoßen ist und wann.
    »Hat man Ihnen die Kleidung Ihres Bruders übergeben?«, fragt sie. »Die Sachen, die er zum Zeitpunkt des Unfalls getragen hat?«
    Darüber muss ich nachdenken. Ich habe eine vage Erinnerung daran, dass ich mit meinen Eltern nach New York gefahren bin, um Steves Leichnam zu identifizieren. Ich musste auf einem Klappstuhl im kalten Wartezimmer eines Leichenschauhauses irgendwo in der Nähe der Universität warten. Ich schließe die Augen, stelle mir die Szene aus der Erinnerung vor – welche Angst ich hatte, weil meine Eltern so schrecklich aussahen, als jemand sie von mir weggeführt hat, und wie ich mir auf die Lippe gebissen habe, um nicht zu weinen, als sie zurückkamen, Schock und unerträgliche Trauer auf den Gesichtern.
    Aber mein Vater hielt etwas in der Hand, als er zurückkam. Er hatte den rechten Arm meiner Mutter um die Schultern gelegt, und in der anderen Hand war irgendetwas.
    Eine braune Papiertüte.
    Ich muss erst die schrecklichen Bilder abschütteln, ehe ich wieder sprechen kann. »Ich glaube, das könnte sein.«
    Die Stimme am anderen Ende klingt weicher. »Wenn Blut daran ist, auch nur der kleinste Fleck, dann können wir das für den Test benutzen. Sofern die Kleidung nicht in Plastikfolie versiegelt wurde, ist die Probe noch brauchbar.«
    Ich danke Marty und sage ihr, dass ich mich wieder melden werde, wenn ich die Kleidung gefunden habe. Dann lege ich auf. Ich reibe mir das Gesicht. Ich weiß, wo die Kleider sein müssten, wenn meine Eltern sie nicht weggeworfen haben. Aber die Aussicht, Steves Sachen zu durchsuchen, erfüllt mich mit Grauen, das sich wie Eis in meinem Körper ausbreitet. Das Einzige, was mich schließlich vorantreibt, ist der Gedanke an Trish. Carolyns Mutter, kalt und arrogant, steht mir plötzlich vor Augen. Ich komme nicht dagegen an, ich bin inzwischen fest davon überzeugt: Ich kann Trish nur retten, wenn ich beweise, dass sie Steves Tochter ist, und sie für alle Zukunft von dieser Frau fernhalte.
    In Kaliforniern haben die Häuser keine Keller. Deshalb sind es Garagen und Dachböden, die zum Auffangbecken für das Treibgut des Lebens werden, für Dinge, die nur noch einen Schritt davon entfernt sind, im Müll zu landen oder wohltätigen Organisationen gespendet zu werden. Da meine Eltern ihre Garage tatsächlich für ihre Autos brauchen, weiß ich, wo ich nach Steves Sachen suchen muss.
    Auf den Dachboden gelangt man über eine herausziehbare Leiter an einer Luke in der Decke des Gästezimmers. Mit einem scheußlichen Gefühl im Magen klettere ich die Streben hinauf. Der letzte Dachboden, auf den ich mich vorgewagt habe, war Averys. Was ich dort gefunden habe, war ein Vorgeschmack auf das, was ich nun für meine eigene Zukunft befürchte – die Überreste seiner Beziehungen zu Sterblichen. Buchstäblich die Überreste. Ich rechne zwar nicht damit, auf dem Dachboden meiner Eltern Leichen zu finden, aber wie in den meisten Familien, kann man dort schon mal über das eine oder andere stolpern.
    Es ist heiß auf dem Dachboden. Die Hitze staut sich unter den Dachbalken. Und es ist dunkel, was allerdings kein Problem ist. Ich sehe im Dunkeln sogar besser als bei Tageslicht. Ein Überbleibsel, nehme ich an, aus den Zeiten, als Vampire tatsächlich Geschöpfe der Nacht waren. Ich setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen und balanciere auf den Balken, um nicht etwa durch die Decke zu krachen, falls ich ausrutsche. Hier oben ist nicht viel. Ein Haufen Bettzeug und Vorhänge. Ein paar Bücher, aufgestapelt auf einer Palette. In der Ecke stehen ein paar Kartons.
    Ich arbeite

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