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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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Ziffern, lausche dem Klicken der Minutenanzeige, das nur ein nichtmenschliches Ohr wahrnehmen kann. Um 14:55 atme ich tief durch und halte mir die Hände vors Gesicht. Das Zittern hat aufgehört. Mein Herz hämmert nicht mehr gegen meine Rippen. Jetzt kommt es darauf an, meine Gedanken zu neutralisieren. Das habe ich schon einmal geschafft. Aber diesmal ist es anders. Als es mit Avery zum Showdown kam, musste ich nur mich selbst schützen. Jetzt steht ein anderes Leben auf dem Spiel, das eines unschuldigen Mädchens, und wenn Frey meine Täuschung durchschaut, wird sie es sein, die den Preis dafür zahlt.
    Eine Glocke hallt über den Schulhof, und wie Pferde aus der Startbox stürmen die Schüler aus den Klassenzimmern und eilen zum Parkplatz.
    Ich warte noch fünf Minuten. Dann steige ich aus dem Auto und gehe zu Freys Unterrichtsraum.
    Er erwartet mich an der Tür, den Mantel über dem Arm, die Aktentasche in der Hand. Seine Augen werden schmal, als er mir aufmerksam ins Gesicht schaut. »Alles in Ordnung?«
    Ich nicke. »War ein harter Tag.«
    »Was ist passiert?«
    Ich deute in Richtung Auto. »Können wir uns unterwegs unterhalten?« Er liest anscheinend nichts anderes aus meinen Gedanken als meinen Drang, möglichst schnell loszufahren. Er nickt und folgt mir zum Auto.
    Am Tor zum Parkplatz zögert er. »Möchtest du nicht bei deiner Mutter vorbeischauen, bevor wir gehen?«, fragt er.
    Ich habe den Autoschlüssel schon in der Hand und entriegle per Knopfdruck die Türen. »Nein. Ich rufe sie nachher an.«
    Er gibt sich damit zufrieden und lässt sich auf dem Beifahrersitz nieder. Als ich gerade den Rückwärtsgang einlege und mich umdrehe, um mich zu vergewissern, dass hinter mir niemand ist, berührt er meine Hand, die auf dem Schaltknüppel liegt.
    Seine Berührung löst eine unwillkürliche Reaktion aus. Ich reiße die Hand zurück. Sogleich bedauere ich meine Unbeherrschtheit. Jetzt sieht er mich richtig an, und Misstrauen und Zweifel verleihen seinem Mund und den Augenwinkeln einen harten Zug.
    »Du kannst mir nichts verheimlichen, Anna. Spar dir den Versuch lieber gleich.«
    Doch anscheinend kann ich das sehr wohl. Es geht. Zum ersten Mal fühle ich mich ihm gegenüber nicht machtlos. Aber ich weiß nicht, wie lange ich ihn aus meinem Geist heraushalten kann. Vorsichtig forme ich den Gedanken: Es ist Carolyn.
    Trishs Mutter?
    Ja. Sie ist heute Morgen ums Leben gekommen.
    Das beschäftigt ihn offenbar, bis wir die Straße erreicht haben. Als er wieder in meinen Gedanken spricht, klingt er nachdenklich, besorgt.
    Wie willst du es Trish sagen?
    Er fragt nicht, wie es passiert ist. Er nimmt an, dass es ein Unfall war, das entnehme ich den Gedanken, die ich von ihm auffange. Ich lasse ihn in dem Glauben und frage: Wo fahren wir denn hin? Du hast noch nichts dazu gesagt.
    Seine Antwort hört sich beiläufig an. Balboa Park.
    Balboa Park? Die Idee wirbelt in meinem Kopf herum und schleudert dabei Fragen von sich wie Funken, die von einer Fackel aufstieben. Der städtische Park ist groß, aber ein öffentlich zugänglicher, belebter Ort. Wo könnte er Trish in diesem Park verstecken? Die einzige Antwort, die mir darauf einfällt, lässt mich frustriert und erschrocken die Zähne zusammenbeißen. Es wäre schwierig, ein Kind in diesem Park zu verstecken – aber eine Leiche? Es gäbe jede Menge geeigneter Stellen dort, um eine Leiche zu verbergen.
    Frey packt mich am Arm, und bei der unerwarteten Berührung zucke ich zusammen. Mein Kopf fährt zu ihm herum. Was?
    Er blickt in den Außenspiegel auf der Beifahrerseite. Ich glaube, wir werden verfolgt.
    Mein Blick schießt sofort zum Rückspiegel. Wenn Williams mir diese FBI-Agenten auf den Hals gehetzt hat … Aber hinter uns ist nicht der Ford Fairlane, sondern ein Volkswagen.
    Frey macht Anstalten, sich auf dem Sitz herumzudrehen, doch nun packe ich ihn am Arm. Nicht. Wenn uns jemand folgt, müssen wir so tun, als hätten wir es nicht bemerkt.
    Er setzt sich wieder gerade hin. Was machen wir jetzt?
    Mein Blick hängt an dem Auto im Rückspiegel. Es kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Warum glaubst du, dass wir verfolgt werden?
    Im Augenwinkel nehme ich Freys Achselzucken wahr. Er antwortet laut, mit zögerlicher Stimme. »Ich habe das Auto bemerkt, als wir von der Schule weggefahren sind. Ein Mann sitzt am Steuer. Er ist uns auf den Freeway gefolgt. Wenn er ein Schüler wäre, müsste er in der Nähe wohnen, dann wäre er längst wieder

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