Lockruf des Blutes
gern den Bericht zeigen.«
»Den haben wir bereits gesehen«, wirft Bradley ein. »Wir möchten die Geschichte noch einmal hören. Von Ihnen.«
Das reicht. Ich lasse mich nicht gern so bedrängen, und meine Geduld ist jetzt am Ende. Ich schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. Williams wirft mir giftige Blicke zu und versucht, sich in meinen Geist zu drängen. Ich schließe ihn aus.
Donovan und Bradley stehen ebenfalls auf und rücken näher an mich heran, als wollten sich mich aufhalten, falls ich zu gehen versuche.
»Stehe ich unter Arrest?«, frage ich.
Die beiden schütteln die Köpfe. Ihren Gesichtern ist deutlich anzusehen, wie ungern sie das zugeben.
»Dann gehe ich jetzt. Außer, Sie sind bereit, mir zu erklären, warum Sie versucht haben, in Daniel Freys Wohnung einzubrechen, und warum Sie mich verfolgen.«
Donovan und Bradley wechseln einen Blick. Ich weiß, dass sie nur Menschen sind, aber ich könnte schwören, dass sie lautlos miteinander kommunizieren. Vermutlich haben sie sich auf dem Weg hierher zurechtgelegt, wie sie mit verschiedenen Szenarios umgehen wollen. David und ich hätten das getan.
Jedenfalls reißen sie sich schließlich aus ihrem Blickkontakt los, und Donovan sagt: »Bitte setzen Sie sich, Ms. Strong. Wir werden Ihre Fragen beantworten.«
Diesmal schiebe ich mich an ihm vorbei und nehme den äußersten rechten Stuhl. Auf dieses Ping-Pong-Spiel kann ich verzichten.
Sie setzen sich, rücken die Stühle so, dass sie mir fast gegenübersitzen, und Bradley fängt an. »Wir sind Agenten einer Sondereinheit, die sexuelle Verbrechen verfolgt – genauer gesagt, sexuelle Verbrechen an Kindern. Wir sind hier, weil wir vermuten, dass ein ganzer Ring von diesem Gebiet aus operiert. Sie benutzen Kinder für pornographische Videos, die sie dann über das Internet verkaufen.«
»Kinderpornos«, fügt Donovan hinzu, als hätte ich die letzten fünfzig Jahre in einer abgelegenen Höhle gehaust.
Ich mache ihm mit einem Nicken klar, dass ich schon verstanden habe.
Donovan fährt fort: »Aber im Lauf der vergangenen Monate haben wir eine entsetzliche Eskalation beobachtet. In diesen Videos werden Kinder nicht nur missbraucht, sondern getötet.«
Mir dreht es den Magen um. »Warum waren Sie bei Frey? Glauben Sie, dass er in die Sache verwickelt ist?«
»Das wissen wir nicht«, antwortet Bradley. »Aber sein Name ist bei einer früheren Ermittlung aufgetaucht, in Boston. Damals konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Es wurde keine Anklage erhoben. Jetzt wohnt er hier, in San Diego, und wir hören schon wieder Gerüchte über solche Snuff-Filme.«
Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Wenn das stimmt, habe ich Trish dem Kerl auf dem Silbertablett serviert. Ich habe sie einem Monster ausgeliefert. Meine Sorge ist so überwältigend, dass ich vergesse, meine Gedanken abzuschirmen. Williams ist in meinem Kopf, ehe ich es verhindern kann. Binnen einer Sekunde weiß er, was ich ihm bisher vorenthalten habe.
Er hat Trish?
Ich brauche die Frage nicht zu beantworten, mein Gesichtsausdruck muss wohl Bände sprechen.
Geh , sagt er zu mir. Ich kümmere mich um das FBI.
Ich warte nicht ab, wie er das anstellen will. Es ist mir egal. Wie der Blitz bin ich zur Tür hinaus.
Kapitel 26
M eine Hände zittern so heftig, dass ich kaum den Schlüssel ins Zündschloss stecken kann. Selbstvorwürfe kreisen unablässig in meinem Kopf. Warum habe ich den Gerüchten über Frey nicht geglaubt? Den Gerüchten, die er so glatt abgeleugnet hat? Wie konnte ich einem Mann, den ich gar nicht kenne, das Leben eines Mädchens anvertrauen, geschweige denn das eines Kindes, das vielleicht meine eigene Nichte ist? Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht?
Bis ich auf den Parkplatz der Valley Vista High einfahre, habe ich mich in einen Zustand hineingesteigert, der Frey beim ersten »Blick« in meinen Verstand dazu bewegen wird, mich sofort anzugreifen oder zu fliehen. In jedem Fall hätte ich dann Trish verloren. In seiner projizierten Vision gab es keinerlei Hinweis darauf, wo sie festgehalten wird. Ich muss ihn dazu bringen, mich zu ihr zu führen. Vielleicht sind noch weitere Mädchen in Gefahr. Die einzige Möglichkeit, mich davon zu überzeugen, ist, diesen Ort selbst zu sehen.
Ich zwinge mich, im Auto sitzen zu bleiben, die Hände am Lenkrad, und keinen Muskel zu rühren, ehe ich wieder einen klaren Kopf habe. Auf der Uhr am Armaturenbrett steht 14:45. Ich konzentriere mich darauf, starre auf die
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