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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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zum Vampir geworden bin. Ich weiß, was meine Eltern und David über mein Äußeres sagen. Aber selbst so etwas wie ein Bild von mir zu sehen, wäre verlockend.
    Ich trete einen Schritt zurück. »Vielleicht später«, sage ich.
    Ich erwarte, einen Hauch von Enttäuschung oder Ärger über dieses vollkommen ruhige, gelassene Gesicht huschen zu sehen, doch die einzige gereizte Reaktion kommt von Frey.
    »Was ist denn, Anna? Hast du Angst vor dem, was du sehen könntest?«
    Ich habe es allmählich satt. Ich habe mich schon dafür entschuldigt, dass ich ihn gebissen habe. Was soll ich denn noch machen? »Ich bin hier, um Trish zu sehen. Nicht um irgendwelche geistigen Spielchen zu spielen.«
    Frey ignoriert mich. Er berührt die Empathin sehr sanft am Arm, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Bitte entschuldige, Sorrel. Anna gehört noch nicht lange zur anderen Welt. Es fällt ihr schwer, die Gegebenheiten zu akzeptieren.«
    Sorrel? Eine Empathin namens Sorrel? Ich bin in einer Star- Trek -Folge gelandet. Ein leises Lachen entschlüpft mir, bevor ich mich beherrschen kann.
    Frey fährt zu mir herum. Diesmal sagt er es laut. »Du bist eine Idiotin , Anna.«
    Doch Sorrel legt ihm eine Hand auf den Arm. »Nein, Daniel. Anna hat recht. Sie ist hier, um ihre Nichte zu sehen und sich zu vergewissern, dass dem Mädchen nichts geschehen ist.«
    Mein Kopf fährt hoch. »Meine Nichte?«
    Sorrel lächelt, und ihre Hand streift meine. Das Lächeln und die Berührung fließen wie eine goldene Welle über mich hinweg, die mein Blut wärmt und meine Nerven besänftigt. »Ja.«
    Und mit diesem einen Wort schmelzen mein Ärger auf Frey, meine Sorge um Trish, meine Wut auf das, was ihr angetan wurde, dahin wie Eis in der Wüste. Sie sind einfach weg. Alles, was ich empfinde, ist tiefer Frieden.
    Ein Trick? Ich schüttele den Kopf, um meine Gedanken zu klären. Nichts geschieht. Ich stecke immer noch fest, wie in einer dichten Dampfwolke aus Friedfertigkeit.
    »Aufhören.« Es kostet mich ungeheure Anstrengung, dieses Wort herauszubringen.
    Sorrel zieht fragend eine Augenbraue hoch. »Aufhören?«
    »Ja.« Meine Stimme klingt komisch. Alle Schärfe ist daraus verschwunden. Ich will sie wiederhaben. »Lass das. Ich nehme an, du meinst es gut. Aber ich will, dass du diesen Zauber, oder was immer du über mich geworfen hast, sofort wegnimmst.«
    Frey kommt einen Schritt auf mich zu. »Das ist kein Zauber, Anna. Das ist Sorrel. Ihre Gegenwart bewirkt das. Ihre Gabe besteht darin, anderen den Schmerz zu nehmen und ihn durch heitere Gelassenheit zu ersetzen.«
    »Dann soll sie weggehen.«
    Ich erwarte, dass Frey mir widerspricht und zum Beispiel sagt, ich hätte wohl den Verstand verloren.
    Doch das tut er nicht. Stattdessen sieht er Sorrel an.
    Und sie sieht mich an. »Ich verstehe, Anna. Du brauchst bestimmte Gefühle, um das tun zu können, was du nun einmal tust. Ich gehe jetzt, damit du deinen Besuch in Ruhe machen kannst. Aber falls du es dir anders überlegst …«
    Sie lässt diese Worte zwischen uns in der Luft hängen wie ein Versprechen zwischen Liebenden, aus freiem Herzen und ohne zeitliche Beschränkung gegeben. Ich glaube ihr. Aber ich weiß, dass die Art innerer Ruhe, die sie mir anbietet, in meiner persönlichen Welt keinen Platz hat. Ich glaube, das weiß sie auch.
    Sie wendet sich zum Gehen, doch ich halte sie auf. »Warte. Bevor du gehst – woher weißt du von Trish? Wie kannst du so sicher sein, dass sie meine Nichte ist?«
    Die Empathin hebt die Hand, als wolle sie meine Wange berühren, zieht sie jedoch vorher zurück. »Auch du wirst es bald wissen«, erklärt sie leise. »Es liegt im Blut.«
    Im Blut? Meint sie damit den Gentest? Ich will sie zurückrufen, doch Frey ist Sorrel schon zur Tür hinaus gefolgt, und sobald sie weg ist, wird mein Kopf wieder klar. Einfach so. Ich bin wieder ich selbst, und die aufgestauten Emotionen der vergangenen paar Tage machen sich wieder bemerkbar. Das sollte ich scheußlich finden. Aber nein, es fühlt sich – gut an.
    Zum ersten Mal allein, sehe ich mir den Raum nun genauer an. Er ist nicht besonders groß, vielleicht drei mal drei Meter, und die einzigen Möbelstücke sind zwei gelblich-braune Ledersessel, die einander gegenüberstehen. Mehr gibt es hier nicht. Keine Tische oder Lampen. Ich blicke zur Decke auf. Dieselben starken Deckenleuchten wie im Saal nebenan erfüllen dieses Zimmer, das ansonsten wohl ziemlich dunkel wäre, mit künstlichem Sonnenlicht. Ich würde

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