Lockruf Des Mondes
in den Augen dieser Frau musste er sich fragen, ob ihre letzten Worte nicht vielleicht bedeuteten, dass die Ehe bisher noch nicht einmal vollzogen worden war.
»Wenn Ihr seine Frau seid, würde er den Balmorals nur dafür danken, ihn von Euch befreit zu haben«, höhnte hinter ihnen Ulf.
Ein gekränkter Blick erschien für einen Moment in ihren Augen, bevor sie ihre Lider senkte und die Schultern zuckte. »Es würde seinen Stolz verletzen, selbst wenn er vom Gefühl her nur Erleichterung verspüren würde.«
Seltsamerweise rührten ihre verletzten Gefühle Lachlan, und er drehte sich um und brachte seinen Bruder mit einem scharfen Blick zum Schweigen.
Ulfs Augen weiteten sich, aber er sagte nichts, sondern runzelte nur ärgerlich die Stirn.
Lachlan verstand weder die Wut noch die Enttäuschung, die ihn bei der Entdeckung erfassten, dass diese einzigartige und schöne Frau die Gemahlin seines Feindes war. Aber was er verstand, war, dass es in der Tat sehr grausam wäre, sie zurückzulassen und zu riskieren, dass Talorc seine Wut an ihr ausließ, wenn er von der Entführung seiner Schwester hörte.
Lachlan konzentrierte sich auf die Frau, die ihre Fassung zurückerlangt hatte und wieder sprach.
»Was kann ich dafür, dass ich Engländerin bin?«, fügte Emily leise an. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum die harten Worte des Balmoral'schen Soldaten sie so kränkten, denn eigentlich hätte sie nicht kümmern dürfen, was diese Barbaren dachten.
Ihr Bezwinger hörte ihre Worte und lächelte, worauf ihr das Herz fast stehen blieb. Das Lächeln eines Feindes dürfte nicht so wundervoll sein, schon gar nicht in einem Gesicht mit Kriegsbemalung.
Ohne ein weiteres Wort ergriff er sie und schwang sich wieder mit ihr aufs Pferd, wo er sie in die gleiche beschämende Stellung brachte wie schon vorher - mit gespreizten Beinen vor ihm sitzend, ihr Po an seinen harten Schenkeln. Emily zog scharf den Atem ein, versuchte aber ansonsten, ihre Ängste zu verbergen, nachdem ihr Plan aufgegangen war.
Sie wandte sich an ihre Freundin und sagte zu ihr: »Mach dir keine Sorgen um mich, Cait. Mir wird nichts geschehen. Du kannst ja sehen, dass diese Krieger anständige Leute sind.«
Cait, der es anscheinend die Sprache verschlagen hatte, schüttelte nur den Kopf.
Emily versuchte zu lächeln, was ihr aber nicht ganz gelingen wollte. »Auf Wiedersehen, Cait.«
In dem Moment setzten sich die Pferde in Bewegung, doch der Krieger, der sich offenbar Drustan nannte, ließ Cait nicht gehen.
»Ihr habt jetzt mich - Ihr müsst Cait freilassen!«, protestierte Emily.
Ihr Bezwinger antwortete nicht.
Sie kniff ihn ins Bein, aber es war, als versuchte sie, in einen Stein zu kneifen. »Ich sagte, Ihr müsst meine Freundin gehen lassen!«
»Nein.«
»Doch.«
»Schweigt!«
»Ich lasse mir nicht das Wort verbieten. Lasst sie gehen, oder ich werde so laut schreien, dass man mich bis zur Burg hören wird.«
»Ein einziger Ton von Euch, und ich werde Euch knebeln.«
Emily schnappte entsetzt nach Luft.
Er packte sie noch fester - in einer stummen Warnung, die sie nicht ignorierte, weil sie nicht auch noch geknebelt werden wollte.
Ihre Lage war ohne das schon schlimm genug. Ihr Plan war fehlgeschlagen. Statt ihre Freundin freizulassen, hatten die Krieger sie beide entführt. Was für ein Mensch war dieser Highland-Laird, dass die Aussicht, einem anderen Laird die Frau zu stehlen, seinen Racheplänen nicht genügte?
Sie musste einen letzten Versuch unternehmen, ihn umzustimmen, so sinnlos es vielleicht auch war. »Aber wenn Ihr nicht eine von uns zurücklasst, wer wird dann Talorc sagen, dass die Balmorals für die Entführung verantwortlich sind?«, fragte sie verzweifelt.
»Der Junge, der Euch bewachte, hatte Gelegenheit, ein Plaid zu sehen, bevor wir ihn außer Gefecht gesetzt haben«, erwiderte der Krieger in einem Ton, der keinen weiteren Widerspruch erlaubte.
Aber was hatte sie noch zu verlieren? »Ihr habt diesen armen Jungen ohnmächtig dort liegen lassen? Was ist, wenn er von wilden Tieren angefallen wird? Wer soll den Sinclairs dann berichten, was geschehen ist? Auch ich hätte von wilden Tieren auf dem Weg zurück zur Burg getötet werden können, wenn ich Euer Bote gewesen wäre. Doch da ich Engländerin bin, hätte Euch das wohl kaum gekümmert, nehme ich mal an.«
Ihr Bezwinger würdigte sie keiner Antwort. Die Pferde wurden allmählich schneller, bis sich der kleine Trupp in einem Tempo von den Sinclair'schen
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