Lockruf Des Mondes
nicht? Emily fühlte sich zutiefst gedemütigt durch ihre Reaktion auf Lachlans Kuss, was an der Röte in ihrem Gesicht und in ihrem Nacken nur allzu deutlich zu erkennen war. Ulf war zweifelsohne hocherfreut darüber, aber was Lachlan anging, so hätte Emily ihn erwürgen können.
Er hatte versprochen, ihr nicht wehzutun, aber das war eine Lüge gewesen. Er hatte sie mehr verletzt, als sie es sich eingestehen wollte, und nicht nur ihren Stolz. Sie war zutiefst gekränkt, im Innersten getroffen, aber sie würde ihm und seinem abscheulichen Bruder bestimmt nicht die Genugtuung verschaffen, sich das anmerken zu lassen.
Und Lachlan würde sie nie wieder auch nur ein einziges Wort glauben. Ein Mann, der küssen konnte, als wäre es ihm ernst gemeint, obwohl es das nicht war, verdiente kein Vertrauen.
Als sie zu den anderen zurückgingen, gab Emily sich einen Ruck und entschuldigte sich bei dem Krieger, den sie mit dem Treibholz geschlagen hatte. Ihre Worte wurden mit einem Schulterzucken aufgenommen, und dann wandte der Mann sich ab und kehrte ihr den Rücken zu.
Auch gut, dachte sie, entschlossen, sich von seiner abweisenden Haltung nicht vor den Kopf stoßen zu lassen. Es nützte ihr gar nichts, so empfindlich bei diesen Barbaren zu sein. Sie nahm die Gefühle dieser Leute ihr gegenüber viel zu ernst. Hatte sie nicht fast ihr ganzes Leben mit einem Vater und einer Stiefmutter verbracht, die weniger von ihr hielten als von jeder Dienstbotin in ihrem Haus?
Der einzige Mensch auf der Welt, der sie wirklich liebte, war ihre Schwester Abigail. Und Emily war hier oben in den Highlands, um ihrer Schwester ein ähnlich trauriges Schicksal zu ersparen. Um das zu erreichen, würde sie alles durchstehen können.
Sie würde nicht wieder weglaufen - oder höchstens, wenn sie sich ihres Ziels und ihrer Chancen zu entkommen völlig sicher war. Sie würde alles ertragen und es mit einem Lächeln tun, und wenn auch nur, um alle zu verwirren. Sie würde ihnen schon zeigen, dass sie kein Schwächling war, egal, wie dumm sie sich bisher verhalten hatte.
Cait kam zu ihr gelaufen und ergriff ihre Hände. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Emily drückte ihre Hand. »Es geht mir gut. Ich weiß nicht, warum ich weggelaufen bin. Das war dumm von mir.«
»Weil du die Nerven verloren hast, was nach der langen Bootsfahrt ja auch kein Wunder war. Da ich gefesselt war, konnte ich dir nicht helfen, aber du hattest solche Angst, dass ich sie riechen konnte, Emily. Du hast sie vor den anderen gut verborgen, doch ich saß ja direkt neben dir«, sagte Cait mit offenkundiger Bewunderung. »Ich wusste nicht, dass Men ... dass Engländer das können.«
Emily schüttelte den Kopf. »Manchmal sagst du die sonderbarsten Sachen, weißt du? Nur weil ich Engländerin bin, muss ich doch kein Schwächling sein.«
Cait lachte. »So wie du mit dem Soldaten umgesprungen bist, der dich einfangen wollte, dürfte hier inzwischen jedem klar sein, dass du kein Schwächling bist.«
»Mit Lachlan bin ich leider nicht so umgesprungen.«
»Natürlich nicht. Er ist ja auch der Laird. Das wäre er nicht, wenn er nicht stärker als all die anderen wäre«, erwiderte Cait tröstend.
Hatten seine Küsse sie deshalb so aus dem Gleichgewicht gebracht? Und wenn ja, würden Talorcs vielleicht ebenso betörend sein? Was sie sich aber eigentlich nicht vorstellen konnte ...
7. Kapitel
E mily war nicht überrascht, als Lachlan einem der anderen Soldaten befahl, sie auf sein Pferd zu nehmen und zur Burg hinaufzubringen. Nachdem er die Antworten auf seine unverschämten Fragen hatte, brauchte er sie ja auch nicht mehr anzufassen. Und sie würde sich deswegen bestimmt keine Gedanken machen.
Der Krieger namens Angus streckte ihr die Hand hin, und sie lächelte ihn an, als sie sie ergriff, um sich hochziehen zu lassen. Er schien so verblüfft zu sein über das Lächeln, dass er mitten in der Bewegung innehielt, bevor er Emily ganz aufs Pferd gezogen hatte, und sie mit verwirrter Miene anstarrte.
Sie wartete einfach nur und dachte, wie einfältig diese Soldaten sein mussten, wenn sich ihr bescheidener kleiner Plan so schnell bewährte.
»Angus!«
Lachlans Befehl riss den Soldaten aus seiner Träumerei, und er hob Emily vor sich aufs Pferd.
Sittsam rückte sie ein Stückchen von ihm ab, drehte sich dann aber noch einmal um und lächelte ihn wieder an. »Herzlichen Dank, dass du mir erlaubst, bei dir mitzureiten.«
»Er erlaubt dir gar nichts. Ich habe es ihm befohlen«,
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