Lockruf Des Mondes
bereicherte der Wolf in ihm ihn mit einer animalischen Schläue und Gerissenheit, von der ein bloßer Mensch nur träumen konnte.
»Es besteht kein Grund für diese Diskussion. Ich habe es dir bereits gesagt: Ich habe nicht vor, die Engländerin zu behalten. Aus welchem Grund nicht, spielt hier keine Rolle.«
»Für mich aber vielleicht schon.«
»Auch für dich nicht. Meine Entscheidungen sind nicht von deiner Zustimmung abhängig, und meine Gedanken auch nicht.«
»Du bist so verdammt arrogant.«
»Emily hält das für eine Charaktereigenschaft der Highlander allgemein.«
Der Scherz entlockte Ulf kein Lächeln. »Sie hat eine sehr geringe Meinung von uns allen.«
»Die du ja auch nicht zu widerlegen versucht hast.«
»Warum sollte ich? Mir ist egal, was meine Feindin von mir denkt.«
»Sie ist nicht deine Feindin.«
»Ich verschließe nicht die Augen vor der Wahrheit, weil mein Schwanz mich dazu drängt. Sie ist Engländerin und die zukünftige Frau des Sinclair. Das macht sie zu meiner Feindin.«
»Sie ist eine Gefangene der Balmorals, weswegen sie unter meinem Schutz steht. Vergiss das nicht, wenn du das nächste Mal versucht bist, sie wie eine Feindin zu behandeln«, entgegnete Lachlan warnend.
»Ich war eigentlich hergekommen, um dir mitzuteilen, dass Duncan hier ist, um dir Bericht zu erstatten.« Ulfs gelassenem Ton war zu entnehmen, dass der Spion nicht die Nachricht brachte, dass der Sinclair seine Truppen zusammenzogen hatte und vielleicht schon dabei war, die See zu überqueren, um Balmoral zu belagern.
»Ich werde gleich zur Burg zurückkehren.«
Ulf nickte mit grimmiger Miene und wandte sich zum Gehen.
Lachlan hätte seinem Bruder befehlen können, Emily zur Burg zurückzubegleiten, um selbst schneller dort zu sein, doch er machte sich Sorgen, dass Ulf ihre Gefühle verletzen würde. Wann er angefangen hatte, sich um so belanglose Dinge zu sorgen, wusste er nicht, aber er hatte jedenfalls nicht vor, die empfindsame junge Frau der alles andere als freundlichen Behandlung durch seinen Bruder zu überlassen.
Zu aufgewühlt von ihren Emotionen und Gedanken, um Ruhe zu finden, ging Emily nervös in dem Turmzimmer auf und ab. Sie hatte so viele schockierende Dinge getan und empfunden, dass sie nicht einmal entscheiden konnte, welches das erstaunlichste von allen war.
Sie hatte Lachlan ihre schlimmsten Ängste offenbart und ihm ihr dunkelstes Geheimnis anvertraut. Er hatte sich weder über ihre Ängste lustig gemacht noch ihr zu verstehen gegeben, dass an ihr etwas nicht stimmen konnte, wenn ihr Vater zu so etwas imstande war. Sie hatte immer gedacht, ihr Vater hätte sie nicht so gering schätzen können, wenn sie liebenswerter gewesen wäre, doch falls Lachlan das genauso sah, hatte er jedenfalls nichts davon gesagt.
Es fiel ihr immer noch sehr schwer zu akzeptieren, dass sie ihm so rückhaltlos vertraut hatte.
Aber andererseits rief er ja auch in mehr als einer Hinsicht eine völlig einzigartige Reaktion in ihr hervor. Sie fand seine Küsse oder Berührungen nicht aufdringlich, sondern gefährlich verführerisch, und sie hatte seine Küsse mit einer Leidenschaft erwidert, von der sie nie geglaubt hätte, dass eine Dame dazu fähig sein könnte. Dann hatte sie sich von ihm ausziehen lassen, und als er seine eigenen Kleider abgelegt hatte, da hatte sie ihn - statt die Flucht zu ergreifen, wie jede andere unverheiratete junge Dame es getan hätte - berührt. Auf solch intime Weise, dass sie selbst jetzt noch bei der Erinnerung daran errötete.
Ihr wurde auch ganz heiß, wenn sie daran dachte, wie hart und seidig zugleich er sich angefühlt hatte. Ihre Zärtlichkeiten hatten ihm Vergnügen bereitet, und anstatt sich deswegen zu schämen, war sie auch noch stolz darauf gewesen. Aber er hatte ihre Schamlosigkeit nicht ausgenutzt, um sie zu »vernaschen«, wie Ulf ihm unterstellt hatte, sondern ihre Abgelenktheit nur dazu benutzt, sie in das Wasser zu bekommen.
Sie konnte kaum glauben, dass die Erinnerung, im See gewesen zu sein, real und nicht nur ein Traum war. Sie hatte sich auf dem Wasser treiben lassen. Na ja ... mit Lachlans Unterstützung, aber für eine Frau, die sich normalerweise weigerte, in Wasser zu baden, das ihr bis über die Knie reichte, war das schon eine erstaunliche Leistung.
Und er hatte nicht über ihre Nervosität gelacht, obwohl er selbst sich offenbar sehr wohl im Wasser fühlte. Und er hatte sie auch nicht dem Spott seines Bruders ausgesetzt, sondern den Soldaten in
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