Lockruf des Verlangens (German Edition)
Uhr bis zum späten Nachmittag assistieren sollte.
Sie ging den Plan durch und gab dann die Nummer von Riordan ein. Der Videokanal war eingeschaltet, sie sah eine Decke, unter der sich ein Körper abzeichnete. Ein verschlafen klingender Wolf meldete sich mit dumpfer Stimme. »Ich steh ja schon auf, Mom. Versprochen. Nur noch eine Minute.«
Ihre Lippen zuckten. »Hast du was dagegen, wenn ich heute früh deine Schicht übernehme?« Riordan war von sechs bis elf eingetragen.
Der Rekrut steckte den Kopf unter der Decke hervor und sah sie an, seine Haare standen zu Berge, was ihn seltsamerweise ungemein attraktiv machte. »Oh Gott, du bist ja schon geduscht. So was Verrücktes.«
»Da ich schon so weit bin … «
»Bist du ganz sicher?«
»Sonst würde ich ja nicht fragen.« Die Beschäftigung würde sie vielleicht die Einsicht vergessen lassen, die sie gestern im Wagen neben Hawke so kalt erwischt hatte, dass die Vergangenheit wie eine dunkle Barriere zwischen ihr und dem Mann stand, der bisher als Einziger durch ihre Schilde gebrochen war. »Du kannst dich im Lauf der Woche revanchieren.«
»Hört sich gut an. Danke, Sin.«
Sie beendete die Verbindung, griff nach einem kleinen Rucksack und ging zur Gemeinschaftsküche der Höhle. Der Speiseraum war leer, es brannte nur schwach Licht. Aber jemand hatte schon Kaffee gemacht, und auf dem Tresen stand ein Tablett mit warmen Muffins. Ihre Stimmung hob sich sofort.
Doch zuerst packte sie eine Wasserflasche in den Rucksack und ein Sandwich, das sie mit frischen Zutaten belegte. Dann goss sie sich ein Glas Milch ein – eine Gewohnheit, mit der sie Evie und Riordan gnadenlos aufzogen – , nahm sich das größte Muffin und setzte sich. Verdrehte die Augen schon beim ersten Bissen.
Frischkäse und Pfirsiche – ihre Lieblingssorte.
Nachdem sie aufgegessen hatte, leckte sie sich die Finger ab, und ihre Blicke wanderten wieder zu dem Tablett hinüber. Sie biss sich auf die Unterlippe.
Essen war ein unschuldiges sinnliches Vergnügen, aber sie nahm es nie als selbstverständlich hin. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Energieriegel, die jahrelang Hauptbestandteil ihres Speiseplans gewesen waren. Und mit einem scharfen Schmerz wurde ihr bewusst, dass es Hawke gewesen war, von dem sie den ersten Bissen bekommen hatte, der ihre Sinne ansprach.
Zitternd hatte sie im Gras gekniet, in ihren Armen die beiden Kinder, die ohnmächtig geworden waren, nachdem Walker ihre Verbindung zum Medialnet gekappt hatte. Judd stand vor ihr, Walker hinter ihr, damit sie sich vergewissern konnte, dass Toby und Marlee nicht das neue Familiennetzwerk verließen, um zum Medialnet zurückzukehren.
Wie unwirklich blau, dachte sie, als sie den Kopf hob und den Blick eines Mannes auffing, dessen Haar selbst im fahlen Licht dieses schicksalhaften Morgens hell leuchtete. Und wie gefährlich, war ihr zweiter Gedanke. Sie hatten sich gut informiert, daher wusste sie natürlich, wer er war und was er den beiden Männern und auch ihr antun konnte.
Toby und Marlee dagegen waren noch Kinder, und die Wölfe waren äußerst kinderlieb. Judd, Walker und Sienna hatten auf diese Charaktereigenschaft gesetzt und gehofft, dass die jüngsten Mitglieder ihrer Familie irgendwie schon das nötige Biofeedback von den Wölfen bekommen würden, wenn die Erwachsenen nicht mehr da waren. Denn nachdem ihm klar geworden war, dass er für sie kein Lösegeld fordern konnte, hatte ihnen der Leitwolf zwar befohlen, die Verbindung zum Medialnet zu kappen, wenn er ihnen Zuflucht bieten sollte, aber keiner der Erwachsenen hatte ernsthaft damit gerechnet, den Tag zu überleben.
Erst als die Kinder sicher im Laurennetz verankert waren, nahm Sienna wahr, dass der Leitwolf knappe Befehle an Männer und Frauen gab. In der Zwischenzeit waren bereits Decken für die Kinder gebracht worden. Sie hielt Marlee in den Armen, Walker trug Toby und Judd schirmte sie ab. Schwankend hielt sie sich auf den Beinen.
Der Blick des Leitwolfs erfasste sie. »Gib sie mir.«
SiehätteJudddieAntwortüberlassensollen,dochalsKardinalmedialewarsieseitdemfünftenLebensjahraufsichselbstangewiesen – sieerkannteeineHerausforderungsofort.»Nein.«
Er hob eine Augenbraue. »Du bist eine Abtrünnige, Süße. Da muss man sich keine Sorgen mehr um den großen, bösen Wolf machen.«
Da schaltete sich Judd ein, aber ihre Aufmerksamkeit galt allein dem Mann, der ein Raubtier war, obwohl er in der Haut eines Menschen steckte. Als er etwas auswickelte und ihr
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