Lodernde Begierde
schlenderte zur Haustür. Auf dem Weg machte er einen Abstecher in den Frühstückssalon, wo er Stickleys kaltes Rührei mit einem Bissen verspeiste. Er hielt normalerweise nicht viel vom Frühstücken, aber im Augenblick war er etwas klamm, jetzt hätte er immerhin noch Geld für ein Bier.
Wolfe pfiff vor sich hin, als er Stickleys außerordentlich langweilige Straße hinabschlenderte, und dachte über die Idee nach, die ihm in seiner Verzweiflung gekommen war. Wenn er Sophie Blake den Hof machte, umging er die Gefahr, das Einkommen aus den gesunden Anlageerlösen des Pickering-Vermögens zu verlieren. Doch wenn er sie auch noch selbst heiratete, wäre er auf immer mit Brookmoor und Brookhaven verbunden, deren Reichtum Pickerings Goldtopf bei Weitem in den Schatten stellte. Die Taschen von wohlhabenden Verwandten konnten auf ewig angezapft werden.
Es wäre der Mühe wert, auch wenn sie ein hageres Ding war – außerdem könnte ihr später ein Unfall zustoßen. Es kam schließlich jeden Tag vor, dass eine Ehefrau starb. Treppenstürze, Hausbrände – es gab unzählige Möglichkeiten. Die Dinge standen gut. Der alte Brookmoor war wieder auf den Beinen und machte es möglicherweise noch ein paar Jahre, und um Sophie Blake würde er sich kümmern. Es bestand keine Gefahr mehr, überhaupt keine.
Jetzt musste er nur noch zusehen, dass er Stickley dazu brachte, ihm ein bisschen Geld vorzustrecken.
Zwölftes Kapitel
O bwohl der Lärm des Londoner Morgens die dicken Mauern von Brook House nicht durchdrang, weckte etwas Sophie aus ihrem Schlaf der Erschöpfung. Stöhnend wälzte sie sich auf den Bauch. Sie hatte letzte Nacht keinen Tropfen Champagner angerührt, aber sie war den ganzen Tag lang vor Aufregung nicht in der Lage gewesen, etwas zu essen. Jetzt tat ihr der Magen weh, in ihrem Kopf hämmerte es, und sie fühlte sich recht schwach.
Essen.
Beim Geruch von Toast und dampfendem, duftendem Tee hob sie den Kopf und blinzelte verschwommen in Richtung der Sitzgruppe in ihrem Schlafzimmer. Wer …?
Sie griff nach ihrer Brille und blinzelte dann überrascht.
»Ihr habt meine Anweisungen nicht befolgt«, sagte Lementeur streng. Dann knabberte er geziert an einer von Sophies Toastscheiben.
Er war hellwach und sah in einer interessanten Kombination aus pinkfarbener Seidenweste und zitronengelbem Frack fesch aus. Sophie schloss die Augen vor seiner vergnügten Grellheit und rieb sie, wobei sie die Brille auf die Stirn hochschob. »Normalerweise stehe ich früh auf«, murmelte sie.
»Willkommen im Leben der feinen Gesellschaft. Ihr dachtet wohl, alle würden so lange schlafen, weil sie faul sind.« Er wedelte mit dem Toast, als zöge er diese Möglichkeit in Erwägung. »Es bedarf eines gewissen Maßes an innerer Stärke, um ein vollkommen unproduktiver Konsument zu sein.«
Jammernd ließ sie sich auf ihr Kissen zurückfallen. »Toast!«
Eine Scheibe landete neben ihr auf dem Bett. Sie griff danach, ohne die Augen zu öffnen, und fing an, daran herumzuknabbern.
»Wenn Ihr Tee wollt, müsst Ihr aufstehen«, beschied ihr Lementeur. »Ihr verdient kein Frühstück im Bett.«
Mit einer halben Scheibe Toast im Magen fühlte Sophie sich schon viel besser. Sie öffnete die Augen, um den teuflischen Schneider, der direkt aus der Hölle zu kommen schien, böse anzusehen. »Ich war superb. Alle haben mich bemerkt!«
Er schnaubte. »In der Tat. Euer Auftritt hat es in alle heutigen Klatschblätter geschafft.«
Er zog eine zusammengefaltete Zeitung aus der Westentasche und schlug sie knallend auf. »›Waverly war gestern Abend Gastgeber für einen strahlenden neuen Stern am Firmament; Miss Sofia Blake legte am Arm des Herzogs von Edencourt einen so romantischen Walzer aufs Tanzparkett, dass einigen der zarter besaiteten Damen Tränen in die Augen traten.‹«
Bei der Erinnerung an diesen Tanz schloss Sophie verträumt die Augen. In Grahams Armen über den Tanzboden zu wirbeln, seine überraschte Anerkennung nur allzu deutlich in seinem Blick zu entdecken, während die Welt um sie herum langsam verblasste …
»Es war göttlich«, flüsterte sie.
Lementeur schniefte. »Und dann seid Ihr gegangen.«
Sie zuckte noch immer träumend die Achseln. »Ich konnte danach wohl kaum noch mit einem anderen tanzen – aber ich hätte es schlechterdings auch nicht ablehnen können. Außerdem hattet Ihr recht. Es war langweilig. «
»Sophie, meine Liebe?«
Bei der sanften Traurigkeit in seiner Stimme hob Sophie den Kopf und schaute
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