Lodernde Begierde
ihn überrascht an. Er war in der letzten Woche ein so strenger Lehrmeister gewesen, dass sie fast vergessen hatte, dass er eigentlich ein sehr freundlicher Mann war. Jetzt schaute er sie voller Mitgefühl und Mitleid an.
»Was ist?«
Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Jeder weiß, dass Edencourt reich heiraten muss.«
Richtig. Natürlich. Von ihrer eigenen Idiotie angespornt – wieder einmal! – glitt sie aus dem Bett und marschierte vor dem Kamin auf und ab. Hörte ihre Dummheit denn nie auf? Sie presste die Fingerspitzen auf ihre brennenden Augen. »Warum lässt mich dieser Mann bloß immer meine ganzen Vorsätze über den Haufen werfen?«
Lementeur machte ein bedauerndes Geräusch. »Wir erleiden doch alle von Zeit zu Zeit eine gewisse Schwäche für breite Schultern und einen festen Hintern. Die Sache ist nur die: Ihr habt gestern Abend ohne Zweifel gehörigen Eindruck gemacht, habt dabei aber Euer eigentliches Ziel aus den Augen verloren. Ich dachte, Ihr wärt auf der Suche nach einem Ehemann, nicht nach einem Liebhaber.«
Liebhaber. Was für ein wunderbarer Gedanke. Einen Augenblick lang war Sophie tatsächlich versucht, Grahams Geliebte zu werden, seine Mätresse selbst nach seiner kaltherzigen Heirat. Er würde dem Namen nach zwar nicht ihr gehören, aber vielleicht wäre er in Wahrheit doch der ihre.
Und du glaubst wirklich, du könntest es ertragen, dass er dich in deinem einsamen Bett zurücklässt, um zu seiner Frau und seinen Kindern zu gehen?
Schmerz durchzuckte sie. Ah. Vielleicht doch nicht.
Nein. So sehr sie sich auch nach Graham verzehrte, sie durfte nicht zulassen, dass eine nicht realisierbare Schwärmerei sie davon abhielt, ihre eigene Zukunft zu sichern. Sie war eine arme, einfache Frau ohne irgendwelche gewinnbringenden Fähigkeiten. Sie musste um ihrer eigenen Sicherheit willen heiraten, oder sie würde verhungern. Sie hatte Acton für immer verlassen, und würde offen gestanden nicht dorthin zurückkehren, selbst wenn sie es könnte.
Dann würde ich doch lieber verhungern.
Sie musste jedoch jemanden finden, der nicht allzu dumm war. Wenn sie schon gezwungen war, den Rest ihres Lebens mit ihrer eigenen kaltherzigen Entscheidung zu verbringen, dann sollte es wenigstens niemand sein, den sie bereits nach einem Jahr am liebsten umbringen würde.
Leider fielen viele der unverheirateten Männer, die sie gestern Abend kennengelernt hatte, in die Kategorie »dumm«. Sie seufzte aus ganzem Herzen, dann ließ sie sich auf den Sessel gegenüber von Lementeur fallen. Er bedachte ihre unelegante Bewegung mit einem strafenden Blick. Sie verdrehte die Augen. »Nach meinem Tee werde ich wieder eine Dame sein.«
Lementeur musterte sie eine Weile aus zusammengekniffenen Augen. Dann hob er seine eigene Teetasse und prostete ihr zu. »Ihr werdet es schaffen, Miss Blake. Vor einer Woche noch hättet Ihr es nie gewagt, mir gegenüber keinen Respekt zu zeigen.«
Schuldbewusst wollte sie sich entschuldigen, aber er wehrte ab. »Ihr missversteht mich. Ich bin froh, dass Ihr Euren Kampfeswillen entdeckt habt. Ich denke, Ihr habt viel zu lange nur überlebt. Jetzt könnt Ihr anfangen, wirklich zu leben.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nippte an seinem Tee. Dann grinste er. »Was jedoch vielleicht noch wichtiger ist: nach allem, was man so hört, habt Ihr mein Kleid ausgesprochen köstlich aussehen lassen.«
Sophie lächelte wehmütig. »Danke. Aber ich bin mir sicher, dass es genau andersherum war.«
Er wehrte ab. »Ihr werdet es noch herausfinden, meine Liebe. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer Frau, die ein Kleid trägt, und einer, die es bloß anhat. « Dann beugte er sich vor, um sie mit leicht geneigtem Kopf zu betrachten. »Miss Blake, für wen auch immer Ihr Euch entscheidet, Ihr müsst Euch versichern, dass er nach Euch verrückt ist.«
Sophie starrte ihn mit leicht gerunzelter Stirn an. Ihr Kauen verlangsamte sich.
Er fuhr fort, und seine Stimme war vollkommen ernst. »Ein Mann tut erstaunliche Dinge für eine Frau, nach der er verrückt ist.«
Sophie schluckte, doch bevor sie ihn fragen konnte, was genau er damit meinte, stand er auf und verneigte sich vor ihr. »Ich finde selbst hinaus«, verkündete er. »Und Ihr nehmt ein ordentliches Frühstück zu Euch. Eure Zofe wird Euch Rührei bringen. Danach werdet Ihr heute Nachmittag Besucher empfangen, und zwar genau für fünfzehn Minuten. Ihr werdet bei niemandem verweilen oder ihn in ein längeres Gespräch
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