Lodernde Begierde
Haus.
Stickley war recht stolz auf seinen kleinen Flecken England. Er hatte sich eine Menge Gedanken über die Gegend gemacht, hatte einen Ort gewählt, der weder zu protzig noch zu schäbig war. Er wusste, dass Wolfe sein Elternhaus vor Jahren beim Kartenspiel verloren hatte und dass er nun von einer Herberge zur nächsten zog, wenn er nicht von jemandem aus seinem stets kleiner werdenden Freundeskreis eingeladen wurde. Wolfe fand mit Leichtigkeit Freunde. Er schien jedoch ein Problem damit zu haben, Freundschaften aufrechtzuerhalten.
Stickley hatte sich nie die Mühe gemacht, einen Freundeskreis aufzubauen, sondern Jahre seines Lebens mit seinen Sammlungen verbracht. Alle Räume dieses Hauses zeugten von seinen verschiedenen Interessen, von mit exakten Beschriftungen versehenen Schmetterlingen über Bilder ominöser, aber eines Tages sicher berühmter Künstler bis hin zu feinem Porzellan und wertvollen ägyptischen Artefakten.
Wolfe stolperte blind an allem vorbei, Gott sei Dank! Er war nicht versessen darauf, dass ein Mann wie Wolfe seine Sammlungen zu schätzen wusste. Womöglich fehlte etwas, wenn Wolfe wieder aus dem Haus war.
Seufzend ging Stickley an seinem Frühstückssalon vorbei, wo für eine Person gedeckt war – heißes Rührei und feiner Tee –, und folgte Wolfe den Gang hinunter zu seinem Studierzimmer. Dort warf sich Wolfe in den einzig verfügbaren Lehnstuhl und ließ die Zeitungen auf den Schreibtisch fallen. Sie entrollten sich knisternd und offenbarten eine Zeichnung, die Stickley veranlasste, den Kopf seitlich zu verdrehen, um einen besseren Blick darauf zu erhaschen.
»Ist das … ist das Miss Blake?«
Wolfe knurrte. »Ja. Mit Edencourt.«
Überrascht blinzelnd drehte Stickley die zuoberst liegende Zeitung so, dass er den Artikel lesen konnte. »Die Feenkönigin nahm Waverlys Maskenball im Sturm! Miss Sofia Blake beeindruckte letzte Nacht die feine Gesellschaft, als sie die Herzen hunderter junger Gentlemen an sich riss und unter ihren zierlichen Absätzen zertrat. Die Voice of Society fragt sich: Da nur ein einziger Mann Titanias Blicke auf sich zog, könnte er, nämlich der Herzog von Edencourt, dann ihr Oberon werden?«
Stickley blätterte durch die anderen Zeitungen, aber wie es schien, hatte es gestern Abend nur eine einzige Veranstaltung gegeben und nur ein einziges Paar auf der ganzen Welt. Es gab zahlreiche Zeichnungen, und Stickley musste zugeben, dass Miss Blake gegenüber ihrer Erscheinung bei ihrem letzten Aufeinandertreffen erkennbare Fortschritte gemacht hatte. Aber er hatte sie schon immer recht gern gehabt. Eine so vernünftige, zaghafte junge Dame! Wenn sie nur nicht so bedauernswert groß wäre.
Doch das schien dem Herzog von Edencourt nichts auszumachen. Es gab mindestens drei Skizzen von Miss Blake und Edencourt beim Tanz, während sie sich verträumt und dessen nicht bewusst, dass sie im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit standen, in die Augen schauten.
»Äh … schön für sie, nehme ich an. Ich hätte nicht gedacht, dass sie die Sorte Frau ist, die ein Herzog will, aber …«
Wolfe stöhnte erneut. »Stickley, warum muss ich dich immer mit der Nase auf das Wesentliche stoßen? Wenn sie Edencourt heiratet, verlieren wir alles!«
Stickley gefiel es nicht, dass ihm unter die Nase gerieben wurde, er sei hinsichtlich der neuesten Gerüchte nicht auf dem Laufenden – als könnte Klatsch seine intellektuellen Bedürfnisse befriedigen –, weshalb er einen Moment brauchte, bis er kapierte, worauf Wolfe hinauswollte.
»Na und? Als Miss Cantor Lady Brookhaven wurde, hatte ich den Eindruck, als hättest du dich mit dem Gedanken abgefunden, dass sie bald Herzogin werden könnte.«
»Weil sie das Pickering-Vermögen nicht anrühren wird. Sie hat angegeben, sie wollte es in unserer Obhut lassen und ihren eigenen Kindern übertragen. Brookhaven braucht unser Geld nicht.«
»Es ist nicht unser Geld, Wolfe«, entgegnete Stickley gestelzt. »Wir sind nur seine Hüter und Beschützer.«
»Nun, dann sollten wir uns bei Gott darum kümmern, es vor Edencourt zu beschützen! Du hast noch nie einen von ihnen kennengelernt, sie sind die verschwendungssüchtigsten Männer Englands. Sie haben nie auch nur einen einzigen Penny besessen, der nicht mindestens mit dem dreifachen Wert belastet war! Er wird unser … äh, Miss Blakes Vermögen schneller verprasst haben, als wir zusehen können!« Er rieb sich den Kopf und murmelte weiter. »Ich frage mich, woher er etwas von
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