Lodernde Träume
vorgeworfen, daran schuld zu sein, weil ich ihn angestarrt hätte.«
»Hast du ihn denn angestarrt?«
»Hm. Laß mich dir erst eine Frage stellen. Wenn plötzlich ein halbnackter Mann vor dir stünde, was würdest du dann machen? Würdest du dich sofort umdrehen?«
»Machst du Witze?« kicherte Tiffany. »Ich würde vielleicht ganz kurz hingucken, bevor ich mich umdrehe.«
»Naja, und ich habe eben leider total vergessen, mich überhaupt umzudrehen.«
»Dann hast du ihn also nackt gesehen!?«
»Halbnackt, aber ich sehe schon, ich muss dir das alles ausführlich erzählen.« Und so schilderte sie ihrer Freundin ihr Erlebnis und endete mit den Worten: »Ich glaube, du hast wirklich recht, sein Verhalten ist gespielt. Meinst du nicht, ich sollte ihm sagen, er könne sich seine Bemühungen sparen, weil mein Herz schon vergeben wäre?«
»Ich denke, du solltest lieber mit deinem Vater reden.«
»Wenn ich das tue, verlieren wir den Hengst! Vater schmeißt den Kerl auf der Stelle raus.«
»Du bist in einer verdammten Zwickmühle«, grübelte Tiffany, doch dann empörte sie sich: »Es muss uns doch aber irgend etwas einfallen, wie wir ihn zur Räson bringen können!«
»Wir?« grinste Megan skeptisch.
»Naja, vielleicht hast du recht. Er ist ja wirklich ein unmöglicher Typ, aber...«
»Mach dir keine Sorgen. Ich hab mir schon überlegt, was ich mache. Ich werde ihn ab jetzt einfach nicht mehr zur Kenntnis nehmen, und wenn das nicht funktioniert, werde ich ihm sagen, dass ich in Kürze St. James heiraten werde. Dieser Jefferys mag ja ein gewissenloser Rüpel sein, aber er wird sich nicht den Zorn eines allmächtigen Herzogs zuziehen wollen. Was auch immer der Grund für seine Beleidigungen war, er wird auf der Stelle damit aufhören, ich schwör's dir!«
»Eine glänzende Idee! Er wird wie ein Wurm im Staube kriechen, um sich bei der zukünftigen Herzogin von Wrothston zu entschuldigen.«
»Im Staube braucht er gar nicht zu kriechen. Worauf ich mich freue, ist, seinen und Lady Os betroffenen Gesichtsausdruck zu sehen an dem Tag, an dem ich in der herzoglichen Kutsche vorfahre.«
In diesem Moment fiel Tiffany plötzlich etwas ein: »Du lieber Gott! Da hätte ich doch beinahe meine Neuigkeiten ganz vergessen! Und ich glaube sogar, dass sie dich näher an dein Ziel bringen werden! Meine Mutter hat eine Einladung ihrer alten Freundin Elisabeth Leighton für einen Maskenball erhalten. In der >Times< von gestern hat mein Vater auch darüber gelesen. Sie haben darin die Gästeliste abgedruckt, die viele bekannte Persönlichkeiten enthält, unter anderem auch...«
»Ihn?« jauchzte Megan begeistert. »Und ich zerbreche mir den Kopf, wie ich es anstellen könnte, mit ihm in Kontakt zu kommen! Deine Mutter wird die Einladung doch annehmen, nicht wahr?«
»Ich glaube schon, wenn ich ein biss chen nachhelfe.«
»Und ich kann mit euch kommen?«
»Meinst du, dass ich ohne dich gehen würde?«
»Ach, Tiffany! Ist es nicht seltsam? Das Schicksal lenkt mich in die richtige Richtung! Mir ist, als ob nicht ich irgendetwas entscheiden würde, sondern als ob alles vorherbestimmt sei. Wo findet der Ball statt und wann?« Megan wurde immer aufgeregter.
»Die Leightons leben in Hampshire, und das Fest wird nächste Woche stattfinden - schau nicht zu erschrocken, Meg! Da ist noch genügend Zeit für Vorbereitungen...«
»Aber nicht genug für ein neues Ballkleid.«
»Du hast doch genügend tolle Kleider...«
»Aber diesmal muss es etwas ganz Besonderes sein. Ich will mir einen Herzog angeln, Tiff, einen Herzog!«
»Du hast ja recht«, schmunzelte Tiffany und fügte spöttisch hinzu, »auch bei der Vorsehung sollte man kein Risiko eingehen. Laß uns nach...«
»Wir sehen uns«, rief ihr Megan über die Schulter zu und gab Sir Ambrose die Sporen. »Ich bin ja so aufgeregt...«
Den Rest ihrer Worte konnte Tiffany nicht mehr verstehen, aber sie wusste auch so, dass sie Megan im Laden von Miss Whipple, der Dorfschneiderin, finden würde. Wenn man eine wirkliche Freundin hat, dann kann man eben auch ihre Gedanken lesen.
Hewlett-Packard
10
Megan war bester Laune, als sie am späten Nachmittag zum Gut ihres Vaters zurückkehrte. Sie hatte herrlichen grünen Seidenstoff und weißen Tüll in Miss Whipples Laden erstanden. Es würde ein hinreißendes Ballkleid werden, dessen war sie sicher. Sie verspürte keinerlei Lust, sich ihre gute Stimmung durch eine Begegnung im Stall verderben zu lassen. Andererseits
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