Loderne Glut
des Hopfens auf dieser Seite auch noch in menschlichen Exkrementen waten müssen.«
Amanda fand keine Worte. Sie brachte es kaum fertig, in dieser unerträglichen Hitze aufrecht zu stehen. Sie leistete keinen Widerstand, als Hank sie wieder mit sich zog. Er führte sie zu einem Leiterwagen, holte Geld aus der Tasche und gab es dem Mann, der auf der Ladefläche stand. »Wie wäre es jetzt mit einem kühlen Glas Limonade, Amanda?« fragte er spöttisch und reichte ihr ein schmutziges Glas mit einer heißen Flüssigkeit.
Sie wagte nicht, das Glas zurückzuweisen. Sie nippte daran und verzog das Gesicht. Sie brachte es nur mit Mühe fertig, einen Schluck von diesem schrecklich schmeckenden Gebräu hinunterzuwürgen.
»Zitronensäure«, urteilte Hank. »Zitronen sind teuer. Mit Zitronensäure kann Ihr Vater für Pfenningbeträge fässerweise seine >Limonade< hersteilen, diese dann für fünf Cents das Glas verkaufen und Hunderte von Dollars damit verdienen.« Er nahm ihr das Glas aus der Hand und bot es einem verschwitzten, müde aussehenden Mädchen von etwa acht Jahren an. Das Kind trank gierig die »Limonade« aus und blickte Hank mit großen dankbaren Augen an, ehe es wieder aufs Feld lief.
»Ihr Vater verkauft den Leuten auch Lebensmittel. Verteilen läßt er lediglich ein Glas Wasser und eine Schüssel Eintopf an jeden. Wenn die Arbeiter ein zweites Glas Wasser haben wollen, müssen sie sich auch noch eine Schüssel Eintopf dazukaufen. Sie können das Wasser nicht ohne den Eintopf kaufen — und Caulden denkt gar nicht daran, das Wasser umsonst herzugeben.«
Er wollte sie wieder mit sich ziehen; aber diesmal ging Amanda willig neben ihm her. Er brauchte sie nicht länger zu zwingen; sie mußte das alles nun selbst sehen - diesen Teil der Welt, von dessen Existenz sie bisher nichts gewußt hatte. Da hatte sie nun jahraus, jahrein in ihrem Zimmer gesessen, während draußen der Hopfen gepflückt wurde, und hatte kein einziges Mal an die Menschen gedacht, die die Ernte einbrachten.
Hank führte sie zur Wiegestation; aber sie konnte nicht nahe genug herankommen, weil dort überall Männer und Frauen ihre schweren, mit Hopfen gefüllten Leinwandsäcke wieder auf dem Boden ausschütteten und in fliegender Hast die Blätter und Ranken von den Dolden abrissen. Schmerz und Enttäuschung standen diesen Leuten ins Gesicht geschrieben, als müßten sie um ihr Leben kämpfen.
»Ein Arbeiter braucht viele Stunden, um einen Zentnersack mit Hopfen zu füllen, und dann schleppt er ihn hierher, damit er gewogen und seinem Namen gutgeschrieben wird; aber Ihr Vater hat Inspektoren eingesetzt, die den Pflückern sagen, daß der Hopfen nicht >sauber< genug sei. Also müssen die Pflücker kostbare Stunden dafür opfern, um Blätter und Stengel von den Dolden zu entfernen und unreifen Hopfen auszusortieren. In der Regel kann ein Arbeiter zweihundertfünfzig bis vierhundert Pfund Hopfen täglich pflücken, aber Ihr Vater hat es so eingerichtet, daß ein Pflücker nicht mehr als hundert Pfund täglich schaffen kann. Die Leute schuften den ganzen Tag in dieser Hitze - ohne Wasser, ohne Toilette - und verdienen neunzig Cents oder höchstens einen Dollar.«
Er drehte sich zu ihr um und sah sie an, »Wissen Sie, warum Ihr Vater auf einem so >sauberen< Hopfen besteht?
Aus zweierlei Gründen: Erstens, weil er dann nicht für das Gewicht von ein paar Stengeln oder Blättern bezahlen muß; und zweitens, weil er will, daß die Pflücker den Job aufgeben. Ihr Vater ist verdammt schlau, Amanda. Ich frage mich, ob Sie Ihre Intelligenz von ihm geerbt haben. Er hat sich eine raffinierte Methode einfallen lassen, diese Leute hier zu betrügen. Der Lohn, der normalerweise hier in der Gegend für das Hopfenpflücken bezahlt wird, ist ein Dollar für einen Zentner geernteten Hopfen. Ihr Vater hat in seinen Anzeigen Spitzenlöhne versprochen und einen >Bonus<. Er bezahlt neunzig Cents für einen Zentnerballen und gewährt einen Zehn-Cent-Bonus für jeden gepflückten Zentner. Dieser >Bonus< wird aber nur den Leuten ausgezahlt, die die ganze Erntezeit hindurch hierbleiben. Wenn ein Pflücker die Arbeit hinwirft, ehe die Ernte abgeschlossen ist, verliert er seinen >Bonus<. Unzählige Japaner haben bereits den Job aufgegeben. Sie wollten nicht in diesem Schmutz arbeiten. An jedem Pflücker, der den Dienst quittiert, verdient Ihr Vater zehn Cents pro Zentner geernteten Hopfens. Multiplizieren Sie zehn Cents mit Tausenden von Zentnerballen und Tausenden
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