Loderne Glut
nicht im Haus bleiben, um dich zu examinieren, da ich auf den Feldern gebraucht werde. Und wenn der Hopfen eingebracht ist, werden wir beide über die Entlassung von Mrs. Gunston sprechen. Ich konnte sie nicht dazu überreden, hierzubleiben.« Er stand da und beobachtete, wie sie die Treppe hinaufstieg.
Sobald Amanda in ihrem Zimmer angelangt war, merkte sie, daß von ihrer triumphalen Laune nichts mehr übriggeblieben war. Sie hielt den neuen Stundenplan in den Händen und erinnerte sich, daß Taylor erst gestern zu ihr gesagt hatte, es würde keine Stundenpläne mehr geben. Sie erinnerte sich auch an seinen Ausspruch beim Frühstück, sie wären jetzt nur noch ein Liebespaar. Doch der Taylor, mit dem sie eben geredet hatte, war ganz der steife und kalte Taylor von ehedem.
Sie warf den Stundenplan ungelesen auf den Schreibtisch zurück und ließ sich aufs Bett fallen. Es war so heiß, und sie fühlte sich ruhelos. Sie versuchte ihre gute Laune wiederzugewinnen. Indem sie sich das Gesicht von Dr. Montgomery vorzustellen versuchte, wenn er auf die Felder kam und einsehen mußte, daß er ihr unrecht getan hatte. Aber es wollte ihr keine überzeugende Vision gelingen.
Sie stand auf, blickte auf ihren Stundenplan, sah, daß sie Cäsars Feldzüge aus dem Lateinischen übersetzen sollte, und stöhnte. Draußen unter dem Fenster erblickte sie ihre Mutter lesend im Schatten eines Baumes im Liegestuhl. Ab und zu nahm sie etwas zu sich, was aus der Entfernung wie Schokolade aussah. Amanda suchte ein Heft und einen Stift aus dem Schreibtisch heraus, nahm ihr Lateinbuch unter den Arm und ging in den Garten zu ihrer Mutter.
Sie verbrachte einen sehr angenehmen Nachmittag in der Gesellschaft ihrer Mutter, die ihr einen faszinierenden Roman zu lesen gab, der von einer Frau, einer gewissen Gräfin de la Glace, verfaßt war. Der Roman drehte sich ausschließlich um die leidenschaftlichen Gefühle einer Frau, die unter der Liebe zu einem Mann zu leiden hatte, der diese Liebe gar nicht verdiente. Amanda las ihn mit glühenden Ohren und verdrückte dabei ungefähr anderthalb Pfund Schokolade.
Am nächsten Tag waren Amandas Vater und Taylor zu beschäftigt, um zu bemerken, daß sie sich nicht dort befand, wo sie sich eigentlich befinden sollte, und nicht das tat, was sie eigentlich tun sollte, und so verbrachte sie noch mehr Zeit mit ihrer Mutter. Amanda fragte, in dem Gefühl, ein großes Wagnis einzugehen, ihre Mutter nach der Zeit, die sie als Tänzerin auf der Bühne verbracht hatte. Grace erzählte ihr stundenlang davon, und Amanda fing an zu begreifen, daß das, was ihre Mutter damals getan hatte, sich eher nach harter Arbeit als nach einem sündigen Lebenswandel anhörte.
»Du hast Courage bewiesen«, murmelte Amanda. »Ich wünschte, ich hätte Courage.«
»Ich denke sogar, daß du ziemlich mutig bist«, entgegnete Grace. »Du hast nur noch nicht herausgefunden, wofür du Mut brauchst.«
»Du meinst wie Ariadne?« fragte Amanda und deutete auf das Buch von der Gräfin de la Glace. »Sie weiß, daß sie einen Mann liebt und kämpft um ihn.«
» Wen liebst du, Amanda?«
»Taylor natürlich«, antwortete Amanda rasch, errötete jedoch dabei. Ihre Zeit mit Dr. Montgomery war ein Experiment gewesen, nicht mehr. Aber ein wenig versuchte sie sich vorzustellen, wie er sich verhalten würde, wenn er entdeckte, daß er sich geirrt hatte, was die Behandlung der Wanderarbeiter auf der Caulden-Ranch betraf. Würde seine Reue so weit gehen, daß er ihr einen Heiratsantrag machte? >Ich habe dir unrecht getan, Amanda, mein Lieblings hörte sie ihn im Geiste sagen. >Ich möchte den Rest meines Lebens mit einer Frau verbringen, die so klug ist wie du.< Es würde ihr gefallen, wenn er zugeben müßte, daß sie nicht dumm war; denn bis jetzt hatte er ihr den Eindruck vermittelt, daß er sie für ausgesprochen töricht hielt. Aber liebte sie ihn ? Würde sie ihn heiraten? Würde sie Taylor und ihre Eltern, die sie liebte, verlassen, um in seinem kleinen gelben Wagen in der Welt umherzureisen?
»Amanda«, unterbrach Grace die Tagträume ihrer Tochter, »kommt dort nicht dein Dr. Montgomery?«
Amanda drehte sich um und sah ihn von den Feldern auf das Haus zugehen. Das ist der Moment, dachte sie. Er kam zu ihr , um sich zu entschuldigen und . . .wagte sie, noch mehr zu hoffen?
»Amanda«, sagte Grace diesmal in besorgtem Ton. »Ich kenne Dr. Montgomery zwar nicht persönlich, aber seinem Gang nach zu urteilen möchte ich meinen, daß er
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