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Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition)

Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition)

Titel: Löcher: Die Geheimnisse von Green Lake (Gulliver) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Sachar
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es zu merken. An seinem letzten Schultag hatte die Mathelehrerin Mrs. Bell mit ihnen Verhältnisrechnen gemacht. Um ihnen das an einem Beispiel vorzuführen, ließ sie das schwerste und das leichteste Kind der Klasse nach vorne kommen zum Wiegen. Stanley wog dreimal so viel wie der andere Junge. Mrs. Bell schrieb das Verhältnis der beiden Gewichte – 3 :1 – an die Tafel, ohne zu spüren, wie peinlich die Situation für beide Jungen war.
    Am selben Tag war Stanley festgenommen worden.
    Er sah den Wachmann an, der zusammengesunken auf seinem Platz saß, und fragte sich, ob er wohl eingeschlafen war. Der Mann hatte eine dunkle Sonnenbrille auf, deswegen konnte Stanley seine Augen nicht sehen.
    Stanley war kein schlechter Junge. Er hatte die Tat, wegen der man ihn verurteilt hatte, nicht begangen. Er war einfach im falschen Moment am falschen Ort gewesen.
    An der ganzen Sache war überhaupt nur sein Ururgroßvater schuld, dieser elende Tunichtgut und Schweinedieb!
    Stanley grinste. Das war so ein stehender Witz in seiner Familie. Wann immer irgendetwas schief ging, schoben sie die Schuld auf Stanleys Ururgroßvater, diesen elenden Tunichtgut und Schweinedieb.
    Dieser Ururgroßvater, so hieß es, habe einmal einer Alten, der ein Fuß fehlte, ein Schwein gestohlen, weswegen sie ihn und alle seine Nachkommen verfluchte. Stanley und seine Eltern glaubten natürlich nicht an solche Flüche, aber wenn etwas schief ging, tat es einfach gut, jemanden zu haben, auf den man die Schuld schieben konnte. Und es ging bei ihnen eine ganze Menge schief. Immer schienen sie im falschen Moment am falschen Ort zu sein.
    Stanley blickte durchs Fenster in die weite, wüstenähnliche Landschaft hinaus. Mit den Augen folgte er dem Auf und Ab eines Telefonkabels, dazu hörte er im Kopf die raue Stimme seines Vaters, der ihm leise ein Lied sang:
     
 
    »Wenn, ja wenn«, seufzt der Specht,
    »die Rinde am Baum nur ein bisschen weicher wär«
    Und unten lauert der Wolf,
    hungrig und einsam heult er zum Mond,
    zum Mo-ho-hond:
      »Wenn, ja wenn!«
    Solange Stanley sich erinnern konnte, hatte der Vater ihm dieses Lied vorgesungen. Es hatte eine süße, traurige Melodie, aber am meisten liebte Stanley die Stelle, wo der Vater Mo-ho-hond heulte.
    Der Bus holperte über eine Bodenwelle und der Wachmann fuhr hoch und war mit einem Mal hellwach.
    Stanleys Vater war ein Erfinder. Um ein erfolgreicher Erfinder zu sein, braucht man drei Dinge: Intelligenz, Ausdauer und ein ganz kleines bisschen Glück.
    Stanleys Vater war ein kluger Kopf und an Ausdauer fehlte es ihm auch nicht. Wenn er sich einmal an ein Projekt machte, arbeitete er oft Jahre daran, manchmal mehrere Tage am Stück, ohne zu schlafen. Nur Glück hatte er nie.
    Und jedes Mal, wenn wieder ein Experiment gescheitert war, konnte Stanley hören, wie der Vater seinen Urgroßvater verfluchte, diesen elenden Tunichtgut und Schweinedieb.
    Stanleys Vater hieß ebenfalls Stanley Yelnats. Sein voller Name war Stanley Yelnats III. Unser Stanley heißt Stanley Yelnats IV.
    In der Familie hatte man es immer toll gefunden, dass man »Stanley Yelnats« sowohl von vorn als auch von hinten lesen konnte. Deswegen wurden die Söhne immer Stanley genannt. Stanley war ein Einzelkind, ebenso wie die anderen Stanley Yelnats vor ihm.
    Und noch etwas anderes hatten sie gemein: Obwohl sie so viel Pech hatten, gaben sie nie die Hoffnung auf. Wie sagte Stanleys Vater gern: »Aus Fehlern wird man klug.«
    Aber vielleicht war ja auch das ein Teil des Fluchs: Wenn Stanley und sein Vater sich nicht immer so viel Hoffnung gemacht hätten, dann hätte es vielleicht auch nicht so wehgetan, wenn wieder einmal eine Hoffnung zunichte gemacht worden war.
    »Nicht jeder Stanley Yelnats ist gescheitert«, betonte Stanleys Mutter gern, wenn Stanley und sein Vater so mutlos waren, dass sie tatsächlich anfingen zu glauben, dass an dem Fluch etwas dran sein musste. Der erste Stanley Yelnats, Stanleys Urgroßvater, hatte an der Börse ein Vermögen gemacht. »Da kann er ja wohl kaum so ein Pechvogel gewesen sein!«
    Bei solchen Gelegenheiten vergaß sie gern zu erwähnen, welches Unglück den ersten Stanley Yelnats getroffen hatte: Er hatte nämlich sein ganzes Vermögen verloren, als er von New York nach Kalifornien zog.
    Die Kutsche, mit der er reiste, wurde von der berühmten Banditin Kissin’ Kate Barlow überfallen und ausgeraubt.
    Wenn das nicht passiert wäre, dann lebte Stanleys Familie jetzt in Kalifornien in einer Villa

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