Löffelchenliebe (German Edition)
übrig, als meine Stimme zu senken und vollen Körpereinsatz zu zeigen, um die Bedeutsamkeit der gleich folgenden Äußerung gebührend einzuleiten. Ein Flüstern ohne Ton wäre schön, ist aber in Anbetracht des Lautstärkepegels unmöglich, zu viel könnte verloren gehen. Ich brauche nämlich unbedingt Rosalies schwesterlichen Zuspruch, denn ohne den weiß ich nicht, ob ich mich trauen werde, meinen alternden Fuß in einen Club voll jungem Gemüse zu setzen.
Ich hänge also über der Theke und spüre, wie meine Brust zielsicher in der Aschenbecherasche aufsetzt. Rosalie und David wechseln einen amüsierten Blick, David streicht mir über die Brust, bis sich die Asche verflüchtigt hat. Jetzt guckt auch noch Weint zu uns rüber.
»Wir gehen gleich noch aus !«, rufe ich und wische noch ein paar Mal unauffällig über mein Oberteil.
»Wohin ?«, fragt Rosalie und gießt mir wieder Prosecco nach.
Das ist mein Einsatz !
»In die Lehrveranstaltung «, sagt David.
He, Baby ! Ich stupse ihn aufgebracht an. Das war meine Pointe !
»Lehrveranstaltung ? Heute Abend ? Was willst du überhaupt in der Uni, Anna ?« Rosalie zieht ein weiteres Astra für David aus dem Kühlschrank und eins für sich selbst. In Mutterseelenruhe öffnet sie beide.
»Das ist doch dieser STUDENTEN club !«, rufe ich.
»Kenn ich nicht«, sagt Rosalie trocken.
Ja, wie, kenn ich nicht ? ! Das wird ja immer schöner ! Da habe ich ein Mal dieses Ass im Ärmel, will es mit leiser Fanfare ankündigen, dann kommt David und zieht es hervor, als wäre es eine billige Karo Sieben, und – puff !
»Der frühere College Club !« Ich bohre meine Augen in Rosalies und merke, dass ich meinen Mund zur Ermunterung öffne und schließe.
»Ach so, der . Dass es den überhaupt noch gibt. Da war ich das letzte Mal vor mindestens zehn Jahren.«
» ICH AUCH !«, schreie ich, und gleich darauf dringen von rechts seltsame Laute an mein Ohr.
Es ist Weint. Er lacht.
Ich habe Weint noch nie lachen gehört. Es klingt auch überhaupt nicht nach einem Lachen, eher so, als würde er Luft einziehen und dabei laute Töne von sich geben. Seine Mundwinkel zeigen wie festgefroren nach oben, weswegen es wohl Lachen sein muss, Rückwärtslachen, um genau zu sein. Zur Untermalung klopft er dabei mit den flachen Händen auf den Tresen. Er hört überhaupt nicht mehr auf damit.
Hallo ? ! So witzig war das jetzt auch nicht. Ich blicke ihn böse an.
»Du wirst mit Abstand die Älteste sein«, bringt Weint zwischen zwei Schnappatmungslachern hervor und klopft wie wild aufs Holz.
Rosalie sieht ihn aus schmalen Augen an.
Ja, denke ich, ich werde die Älteste sein. Darauf wollte ich in etwa hinaus. Doch ich wollte, verdammt noch mal, dass Rosalie diese Ungeheuerlichkeit enthüllt ! Sie hätte dabei nicht wie du, Flachkopf Martin Weint, gelacht und gehämmert, sondern einen Moment innegehalten und sich dann im Geiste mit mir verbündet. Sie hätte mein Schicksal wie eine Schwester verstanden und mir den Trost gespendet, den ich brauche, um selbstbewusst in diesen Jugendclub hineinzuspazieren. Alles dahin.
»Die Älteste, vielleicht.« Davids Stimme ist laut, sodass Weint abrupt aufhört zu lachen und ihn aus seinen kleinen grauen Augen verstört anstarrt. David legt seinen Arm um mich, zieht mich zu sich heran und fügt, genauso laut, aber um einiges zärtlicher hinzu: »Aber vor allem: meine.«
Die Schlange vor der Lehrveranstaltung ist lang. Es ist eine sommerlich warme Aprilnacht, und ich bin an Davids Seite extrem entspannt. Sollen sie doch alle jünger sein als ich. Am Ende zählt schließlich, dass David sich in mich verliebt hat und er und ich glücklich miteinander sind, Alter hin oder her. Und davon mal abgesehen: Wenn ich mich so umsehe in der Schlange, in der gefühlte neunzig Prozent Mädels und zehn Prozent Jungs stehen, schneide ich gar nicht so schlecht ab. Ich sehe zumindest nicht aus wie gerade der Pubertät entsprungen, was vor allem auf den männlichen Teil der Schlangesteher zutrifft. Himmel, der Typ vor mir ist doch maximal zwölf ! Er trägt ein schwarzes Band-Shirt über einem weißen Longsleeve und lispelt durch seine Zahnspange, die er sich gleich mit dem Kronkorken seiner Bierflasche raushebelt, wenn er so weitermacht. Hat denn niemand einen Flaschenöffner oder ein Feuerzeug für den armen Jungen ? Mein Outfit habe ich dem Anlass entsprechend leicht angepasst, trage wieder die graue Röhrenjeans, dazu schlichte schwarze Ballerinas mit klitzekleiner
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