Löffelchenliebe (German Edition)
Plateausohle, gerade so viel, dass es nicht auffällt, ich mich aber größer und wohler fühle, ein taubenblaues Babydoll-Oberteil, also an der Brust eng, darunter gerafft und dann weit fließend über Bauch und Po. Sehr vorteilhaft, zumal die Jeans am Hintern nicht gerade optimal sitzt. Ach ja, und dazu eine lange dünne Silberkette mit Krönchenanhänger, die ich in einem dieser Designläden in der Marktstraße erstanden habe, in denen alle alles selber machen. Ich drücke die Krone über meinen kleinen Finger, was so gerade eben passt, und halte sie mir vors Auge. Erstaunlich, wie filigran die einzelnen Zacken gearbeitet sind.
»Anna ?«
Huch. Zwischen David und mir klafft plötzlich eine fünf Meter große Lücke. Ich beeile mich aufzuschließen, zerre schnell das Krönchen von meinem Finger und stecke meine Hand in Davids hintere Hosentasche, der lächelt mich an.
Am Eingang des Clubs sitzt ein dünner Junge mit löchrigem Bart und Bierflasche in der Hand auf einem Barhocker und verteilt Stempel. Alle strecken ihm im Vorbeigehen die Hand entgegen, Geld zückt keiner, scheint keinen Eintritt zu kosten, der Spaß. Wofür dann der Stempel ? Ich bin schon ganz zappelig, endlich mal wieder das Tanzbein zu schwingen, ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr richtig aus. Oft im Rosalies , weil Rosalie an den meisten Abenden da nicht weg kann, manchmal auch mit Ina in einer anderen Bar, wenn sie sich von Paul und Piet loseisen kann, was allerdings nicht oft vorkommt. Wenn, dann ist sie meistens zu müde, um noch loszuziehen, und, ehrlich gesagt, ist es auch schon etwas länger her, dass mich die Lust überrollt hat, um zwei Uhr morgens auf dem Kiez aufzuschlagen und ein paar Stunden später meinen heranziehenden Kater mit Matjes auf dem Fischmarkt zu bekämpfen. Den brunche ich lieber ganz in Ruhe mittags weg.
Noch sechs Leute in der Schlange vor uns. Noch fünf, vier, drei, zwei, eins, dann streckt David seinen Arm aus, der Junge stempelt, und schon wird mein Liebster von der Dunkelheit des Clubs verschluckt. Ich strecke dem Stempeltypen ebenfalls meine Hand entgegen, von drinnen schlagen mir laute Musik, Hitze und allerhand Schweißgerüche entgegen. Ob hier auch so was wie Abba läuft ? Der Junge will mir gerade den Hello-Kitty-Stempel aufs Handgelenk drücken, da hält er inne. Einfach drauf damit, denke ich, denn meine Beine sind schon fast auf der Tanzfläche. Doch nichts passiert.
»Ihren Ausweis, bitte.«
Das kann doch nicht wahr sein! Ich meine, es ist ja sehr schmeichelhaft, dass gerade ich für noch nicht volljährig gehalten werde, aber wir wollen doch mal die Kirche im Dorf lassen. Ich kichere und drehe mich, Zustimmung heischend, zur Schlange hinter mir um. Die Mädchen und Jungen werfen mir ausdruckslose Blicke zu. Die sehen alle wirklich deutlich jünger aus als ich, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich krame in meiner Marc-Jacobs -Tasche und fische mein Portemonnaie heraus. Lächerlich, denke ich, als ich dem Jungen meinen Ausweis unter die Nase halte.
Er guckt gelangweilt und zupft an seinem Löcherbart. »Ihren Studentenausweis, bitte.«
Meinen, bitte, was ?
Ich laufe rot an. Dunkelrot, ich kann es genau spüren. Wieder krame ich in meiner Tasche, diesmal stecke ich fast den ganzen Kopf hinein. Dann stelle ich ein Bein auf dem Barhocker ab, die Tasche auf dem Oberschenkel und wühle mich nacheinander durch alle Fächer. Was soll ich sagen ? Otto, mein alter Freund aus dem Fernsehen, scharrt schon mit den Hufen und zischt mir zu: Tu einfach so, als hätte alles seinen Sinn.
»Kleiner Scherz«, lächle ich zuckersüß und mache eine wegwerfende Bewegung. »Wollte nur mal sehen, ob du die Ausweise noch auseinanderhalten kannst. Hihi.«
»Können wir vor ?«, höre ich eine Mädchenstimme in meinem Nacken piepsen. Eine Riege von vier jungen blonden Damen drängelt an mir vorbei.
»Klar.« Der Junge stempelt ohne mit der Wimper zu zucken eine Mädchenhand nach der anderen, die sich schlank und faltenfrei in mein Blickfeld schieben.
Ich bewahre Haltung.
»Also ?«, fragt er, als die Hühner durch sind. Es ist nicht zu übersehen, dass er genervt ist.
»Meinen Studentenausweis«, sage ich, indem ich mein neues Lieblingswort Studenten Silbe für Silbe betone, »den habe ich leider zu Hause vergessen.«
Was nicht einmal eine Lüge ist. Der ist zwar 2003 abgelaufen, aber das verbuche ich nonchalant unter Nebensächlichkeit.
»Dann bekomme ich acht Euro von dir.«
Korinthenkacker.
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