Löffelchenliebe (German Edition)
überhaupt nicht mehr nach Rezept zu kochen. Das ist einfach nicht mein Ding, dafür bin ich zu ungeduldig. Nachdem David und ich neulich zusammen gekocht haben, fiel ein für alle Mal die Entscheidung: gegen das perfekte Dinner. Ich hatte mir zu diesem Anlass ein Tim-Mälzer-Kochbuch gekauft und ein viergängiges Menü zusammengestellt, das meine kochkünstlerischen Fähigkeiten bei Weitem überstieg. Bin total unter Stress geraten, weil hier was anbrannte, dort ein Topf überlief und meine halb durchsichtige Lieblingsbluse Fettspritzer abbekam. Und es schmeckte auch komisch, soweit ich das in all dem Chaos beurteilen konnte. Beim Zwischengang, dem Paprika-Reis-Törtchen mit Kiwi-Chutney, musste ich endgültig passen.
»Ich kann einfach nicht kochen !«, schrie ich und war kurz davor, die Törtchenform auf den Boden zu knallen.
David nahm die Töpfe vom Herd und danach meinen Kopf zwischen seine Hände. »Hey, ganz ruhig, Baby.« Er küsste mich. »Was haben wir denn für Zutaten ?« Er schlug das Kochbuch zu und stellte es zurück ins Regal.
»Aber …« Doch dann war ich mit einem Mal wahnsinnig erleichtert. Kurz darauf dröhnte laute Gitarrenmusik aus den Boxen, und David und ich sprangen dazu durch die Küche. Das Essen sah schlussendlich zwar etwas anders aus als auf den Bildern im Buch, geschmeckt hat’s allerdings hervorragend.
Als ich nun fürs Picknick gerade dabei war, den Grünkern zu schroten, und mich ärgerte, nicht auf den fertig geschroteten aus dem Reformhaus zurückgegriffen zu haben, klingelte das Telefon.
»Hallo, ich bin’s, deine Mutter. Und, was machst du gerade ?« Im Hintergrund hörte ich Radiostimmen.
»Ich schrote Grünkern.« In Ermangelung einer Schrotmühle hackte ich mit dem Messer auf die harten Kerne ein.
»Das klingt aber gar nicht danach. Und wofür überhaupt ?« Meine Mutter schnaubte.
»Ich mache Grünkernfrikadellen. David und ich fahren nachher mit seinem Opa an die Elbe zum Picknicken.«
Just als ich den Satz beendet hatte, rutschte das Brettchen mit den Kernen unter meinem Messer weg, Grünkern flog hinter die Kaffeemaschine, in den Toaster und verteilte sich großzügig auf dem gesamten Küchenboden, und ich wusste, ich hätte schweigen sollen.
Gegen eins stand meine Mutter mit einem Picknickkorb, gefüllt mit Stapeln orangefarbener Tupperdosen, und einer großen Platte mit Hackfleischfrikadellen vor meiner Wohnungstür.
»Ordentliche Buletten. Halt mal«, sagte sie und rückte den riesigen Strohhut auf ihrem Kopf zurecht. »Junge Männer brauchen Fleisch.« Sie lief an mir vorbei in die Küche und öffnete die Schränke.
»David ist Vegetarier.« Ratlos hielt ich die Platte mit fettigen Frikadellen vor meinen Körper.
»Ach was ! Wenn der Junge erst meine Buletten sieht, dann wird ihm die Lust aufs Grünzeug schon vergehen. – Hast du kein Wasser mit Sprudel ?«
»Wie sollen wir denn da alle reinpassen ?« Meine Mutter klopft aufs Dach meines Minis, allerdings mit deutlich festeren Schlägen als Opa Richard. Der kichert.
»Überhaupt kein Problem, Hannelore«, sagt David in allerbester Schwiegersohnmanier und fährt den Fahrersitz, meinen Sitz, ein Stück nach vorne, damit meine Mutter ihre Gräten ausstrecken kann. »Geht’s so ?«
»Ja, vielen Dank, Dawitt.« Sie strahlt ihn an und klettert umständlich in den Wagen, ihre Blümchenbluse rutscht dabei am Rücken ein Stück nach oben. David hält schützend seine Hand zwischen ihren Strohhut und die Wagendecke.
Es ist das zweite Mal, dass meine Mutter und David aufeinandertreffen. Beim ersten Mal haben wir unter ihrer gestreiften Markise einen Fertigbiskuitboden mit Dosenpfirsichen und reichlich Tortenguss verspeist. David hat kurz gezuckt, als die rot gefärbte Gelatine auf seinem Teller landete. Dann ignorierte er jedoch das glibberige Schweineknochenmehl und führte Kuchengabel um Kuchengabel zum Mund. David und meine Mutter, das war Liebe auf den ersten Blick.
Opa Richard darf vorne neben mir sitzen. Wenn er schon nicht in den Himmel sehen kann, weil ihm ein Dach den Blick versperrt, wolle er wenigstens nach vorne freie Sicht haben. Er lässt das Fenster hoch- und runterfahren und streckt seine Hand in den Fahrtwind.
»Hui, Lenchen, dass wir das noch mal erleben dürfen !« Seine langen weißen Haare flattern im Fahrtwind weit in die Höhe.
Lenchen, das war seine Frau. Sie ist vor drei Jahren gestorben, seitdem lebt Richard in dem Heim in Eppendorf. Offenbar erinnere ich ihn an seine
Weitere Kostenlose Bücher