Löffelchenliebe (German Edition)
Erkennen mehr in seinem Blick. Nach ein paar Sekunden heften sich seine Augen erleichtert an meine, er beugt sich ein Stück zu mir vor und flüstert mit einem Zittern in der Stimme, das er zu verbergen versucht: »Lenchen, sag mir, was feiern wir heute noch gleich ?«
Ich lege ihm meine Hand auf den Arm und kann spüren, wie ihn das ruhiger werden lässt. »Nichts Besonderes«, flüstere ich zurück. »Wir sitzen einfach nur nett beieinander am Elbstrand. David, Hannelore, du und ich. Schau mal, da kommt schon wieder so ein Pott.« Ich deute auf ein riesiges Schiff mit roten, weißen und blauen Containern, das in Richtung Hafen schippert.
Richard legt seinen Kopf an meine Schulter. Dann streicht er sich die Haare aus der Stirn, zupft an seiner Cordhose und greift nach einem Teller. »Na, dann wollen wir mal.«
Eine gefräßige Stille legt sich über unsere Picknickdecke. Opa Richard nagt an einer Grünkernfrikadelle mit Curryketchup, als sei nichts gewesen, und schaut mit glänzenden Augen aufs Wasser. Meine Mutter hat sich zum dritten Mal von allem etwas auf den Teller gepackt und grunzt zufrieden. Grunzen, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, ist die Nummer eins auf meiner Hitliste der störendsten Muttergeräusche. Es ist ein absolut unappetitliches und zudem lautes Geräusch, das augenscheinlich höchsten Genuss ausdrücken soll, mir aber die Schamesröte ins Gesicht treibt. Besonders dann, wenn wir nicht unter uns sind, im Restaurant zum Beispiel oder beim Haarewaschen im Friseursalon – wir hatten früher manchmal einen Doppeltermin. Da grunzt sie in einem fort. Je entspannter, desto lauter. In diesem Augenblick stört es mich allerdings überhaupt nicht, soll sie doch grunzen wie ein kleines Glücksschwein, Hauptsache, sie fühlt sich wohl. Ich lasse meinen Kopf in Davids Schoß sinken, pappsatt und überglücklich. Jetzt könnte ich ein kleines Schläfchen vertragen, denke ich, und schon drifte ich weg, wohlig und warm.
»… noch nicht schwanger ?« Opa Richard steht über mir und verdeckt die Sonne.
»Das frage ich mich auch. Der Dirk, der Sohn vom Wolfgang aus meinem Lesekreis, hat eine neue Freundin, und die war sofort schwanger. Das ging ruckizucki ! Und seinen Opel hat der Dirk auch gleich verkauft, das war ja eher so ein sportliches Modell. So eine Familie braucht Platz, deshalb haben die jetzt einen riesigen Wään. In Rot.« Meine Mutter schippt mit ihrem Fußrücken Sand auf einen Haufen.
Opa Richard bückt sich und löst seine Schnürsenkel. »Ja«, sagt er und hält sich am Bein meiner Mutter fest, »diese winzige gelbe Kiste ist dann wirklich zu klein. Da passen wir ja gar nicht alle rein. Und David, du brauchst dringend einen Führerschein.«
»Stimmt«, sagt meine Mutter. »Das mit dem Autofahren ist für Anna ja dann auch bald vorbei.«
Habe ich was verpasst ?
David schiebt seine Hände unter meinen Kopf und bettet ihn auf die Picknickdecke. Dann steht auch er auf. »Richard, Hannelore, entspannt euch, okay ? Anna und ich, wir kennen uns gerade mal drei Monate.« Er stapft ein paar Schritte in Richtung Wasser.
Mir schwant Böses. »Könnte mir vielleicht jemand erklären, worum es geht ?«
»Natürlich, mein Kind. Richard wollte wissen, warum du noch nicht schwanger bist. Und ich muss auch sagen …«
»Warum ich was ?« Ich setze mich mit einem Ruck auf. »Habt ihr sie noch alle ?«
»Das Gleiche habe ich mich auch gerade gefragt.« David kommt wieder angestapft und baut sich vor meiner Mutter auf. Er wirkt riesig und viel breiter als sonst, wie er so vor ihr steht.
»Aber, meine Lieben«, säuselt sie, »ihr müsst doch auch an Annas Alter denken. Sie ist fünfunddreißigeinhalb ! Und natürlich möchte sie nicht erst in fünf Jahren das erste Kind bekommen. Wenn es dann überhaupt noch klappt.«
Ich bin stocksauer. Was fällt den Herrschaften ein, sich einfach in dieses intime und zudem hochdiffizile Thema einzumischen. Das muss man doch subtil angehen ! In einem romantischen Augenblick, unter vier Augen, mit Kerzenlicht und Liebesgeflüster und …
Das ist einer der Momente, da möchte ich am liebsten meinen Kopf in den Sand stecken und weinen. Alles läuft falsch. Und mir fällt nichts ein, was ich dagegen tun könnte. Ich möchte doch nur mit David und einem kleinen David am Elbstrand sitzen und im Sand buddeln, und meinetwegen kann der kleine David seinen Pippimann in die Hand nehmen und mit viel Druck auf meine Mutter zielen. Ich werfe David einen
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