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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schüler abgesehen, sondern auf ganz bestimmte. Oder auf einen
bestimmten.“
    „Genau.“
    Winzig hatte einen runden Schädel mit
dünnem Haar. Das Gesicht war fleischig, die Nase klein. Nachdenklich kratzte
der Hüne sich am Kinn.
    „Wo bleibt da die Logik, Ritschi? Es
ist viel riskanter, 30 Kids ( Kinder ) zu entführen statt eins. Auf 30
aufpassen — das ist wie einen Sack Flöhe hüten. Wenn dieser Enrico ein so
erfahrener Stratege ist - weshalb tut er sich das an? Es wäre leichter, er
würde sich den einen bestimmten Schüler unter den Nagel reißen.“
    „Vermutlich ist es ein Mädchen.“
    „Wieso?“
    „Enrico sagte, Weidrich müsse vor allem
die Namen der Mädchen aufschreiben. Die Jungs wären nicht so wichtig.“
    „Ist der Kerl Mädchenhändler?“
    „Zutrauen würde ich’s ihm. Aber in
diesem Fall — nein! Der will wirklich nur Lösegeld erpressen — drei Millionen
Mark.“
    „Vielleicht verbindet er das eine mit
dem anderen: einen lohnenden Coup mit einer persönlichen Abrechnung.“
    „Vielleicht. Ich hörte: Unter den
Schülerinnen ist die Tochter eines Bullen, Gaby Glockner. Die Typen im Milieu
haben Schiß vor ihrem Vater und...“
    „Von Glockner habe ich gehört. Er ist
Kommissar. Wenn Enrico sich mit dem anlegt, ist er schlecht beraten. Na, seine
Sache. Uns interessiert nur die Kohle. Weshalb bist du ausgestiegen?“
    „Der Spaghetti-Fresser liegt mir
einfach nicht. Es gab nur Streit. Irgendwie war er auch neidisch. Ständig habe
ich nämlich die besseren Vorschläge gemacht.“

    „Was stellst du dir jetzt vor?“
    Ritschi strich über sein Bärtchen. „Wir
beobachten die Sportsfreunde. Sollen sie zuschlagen. Sollen sie den Bus samt den
Kids verstecken. Ich weiß, auf welche Weise Enrico das Lösegeld kassieren will.
In dem Moment greifen wir zu. Außerdem können wir uns an Weidrich halten. Dem
fällt nämlich eine besondere Aufgabe zu. Aber ich frage mich, ob dieser
schlappe Typ das schafft. Er soll nämlich...“
    Winzig hörte aufmerksam zu, suckelte
Bier aus der Flasche und sah in Gedanken drei Millionen DM auf sich zukommen.
Mit seinem Anteil konnte er sich dann endgültig zur Ruhe setzen.

9. Paula ist verreist
     
    Das Wetter schlug um.
Schneeschauerjagten durch die Straßen. Ohne Tretmühlen waren die Mädchen zu
langsam.
    „Wir bringen euch heim“, entschied Tim.
„Bis zur Regenbogen-Brücke — das ist fußläufig einfach zu weit für euch. Aber
dorthin müssen wir.“
    „Wegen Würgegriff-Paula?“ fragte Gaby.
Ärgerlich pustete sie gegen ihren goldblonden Pony. Doch das half nicht viel. Er
war naß von den Schneeflocken.
    „Sie hat dort ihre Adresse“, nickte
Tim.
    „Adresse nennst du das?“
    „Die Nicht-Seßhaften ohne festen
Wohnsitz nennen ihren Standort Adresse.“
    „Fehlt nur noch“, lachte Karl, „sie
lassen sich Visitenkarten drucken: Würgegriff-Paula, unter einer der Brücken am
Fluß, dritter Schlafsack von links.“
    „Und bei diesem Wetter“, sagte Alice. „Stadtstreicher
müssen enorm abgehärtet sein. Es gibt ja auch weibliche. Für sie stelle ich mir
das am schlimmsten vor: Tag und Nacht im Freien, bei Regen und Kälte. Ich
hielte das nicht aus. Farina leidet jetzt noch unter Rheuma.“
    „Farina?“ fragte Gaby. „Wer ist das?“
    „Unsere Haushilfe in Brüssel, wo wir
jetzt wohnen. Farina Cincalia ist Italienerin, war aber mit einem Belgier
verheiratet. Als der wegen Diebstahls seine Arbeit verlor, sind sie zwei Jahre
durch Europa vagabundiert. Echt als Landstreicher. Farinas Mann wurde dann bei
einem Unfall getötet. Sie kam nach Brüssel und hatte Glück. Eine Dame, die sich
um hilflose Menschen kümmert, nahm sie bei sich auf. Farina führte ihr ein Jahr
lang den Haushalt. Aber die Dame war alt und wurde so krank, daß sie heute in
einem Pflegeheim lebt. Danach kam Farina zu uns.“
    „Aha!“ meinte Tim. „Und sie hat Rheuma
seit ihrer Vagabundenzeit?“
    „Das sagt sie.“
    Aufmerksam blickte Tim das Mädchen an. „Das
klingt, als glaubst du’s ihr nicht.“
    Alice hob die Achseln. „Um ehrlich zu
sein: Ich mag Farina nicht. Meine Eltern haben verhindert, daß sie wieder auf
der Straße liegt. Finde ich toll. Und Farina macht ihre Arbeit. Aber ich
verlasse mich auf mein Gefühl.“
    „Und was sagt dir das?“ forschte Gaby.
    „Sie ist nicht ehrlich. Sie kann mir
nicht in die Augen sehen. Vielleicht stiehlt sie. Ich weiß es nicht. Gestern
kam ich dazu, als sie telefonierte. Sie hat sofort aufgelegt und war

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