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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Hause?“
    Keine Antwort. Nur der Fluß gurgelte.
Schwarze Wellen schwappten an den Kai, und eine hysterisch schreiende Möwe
glitt im Gleitflug vorbei.
    Tim trat in die Baracke. Der Innenraum
war nicht groß. Noch bevor der TKKG-Häuptling ihn durchsuchte, spürte er, daß
sich hier niemand aufhielt. Es gab nur ein Lager aus Lumpen und Zeitungen, nur
leere Kartons, leere Bier- und Weinflaschen sowie Blechdosen, die vermutlich
Hackbraten und Ravioli enthalten hatten.
    „Der Mistkerl treibt sich rum“, Tim
trat wieder ins Freie. „Vermutlich sucht er einen Hehler, bei dem er den Schmuck
losschlagen kann. Das dauert. Wenn wir Pech haben, taucht er erst um
Mitternacht auf. Für wahrscheinlicher halte ich allerdings: Leo kommt nicht
mehr zurück. Mit den Taschen voller Geld — da wäre er doch blöd, wenn er sich
nicht was Ordentliches leistet. Warten können wir nicht. Aber sobald wir im
Internat sind, rufe ich Kommissar Glockner an. Er kann veranlassen, daß hier ab
und zu ein Streifenwagen vorbeirollt — und die Besatzung nachschaut.“
    „Also Schluß für heute“, meinte
Klößchen. „Wir müssen sofort in die geliebte Heimschule zurückbrettern. Sonst
verhungere ich nämlich. Überlegt mal, wieviel Zeit vergangen ist — seit Gaby
mich von der Vanille-Torte kosten ließ. Und das war nur Vanille, nicht mal
Schokolade!“

10. Fehlschlag
     
    Mit dem Paket unterm Arm schnürte Leo,
der Penner, die Straße entlang. Beschwingt fühlte er sich und voller Erwartung.
Was sich freilich auf seinen Schritt nicht auswirkte. Die Füße schlurften wie
üblich, als hänge Blei an den Waden, und den Kopf hielt Leo gesenkt, als suche
er den Boden ab nach verlorenem Münzgeld.
    Das Paket unterm Arm bestand aus dem
Bordcase, den er in eine zerschlissene Decke gehüllt hatte. Himmel, war das ein
Gefühl!
    Dieser Reichtum, dachte Leo, gehört
jetzt mir. Aber ich muß ihn in Bargeld verwandeln — am besten sofort: in
überrumpelnder Weise, damit diese Erna Sauerlich gar nicht zu Atem kommt. Her
mit der Kohle! Und zwar heute noch, schnell! Sonst werden Sie, Gnädigste, Ihre
Klunker nie wiedersehen.
    Er näherte sich dem Hauptbahnhof. Auf
den Straßen verebbte die rush hour, der Stoßverkehr mit Unmassen Abgase
speiender Autos, dröhnender Motorräder und genervter Radfahrer. Leo fand eine
Telefonzelle, stellte sein Paket auf die Ablage und durchsuchte seine Taschen.
    Er hatte Münzgeld. Aber erst die
Rufnummer! Er blätterte im Telefonbuch.
    ...Saubermann... Saudner... Saudi...
Sauerbier... Sauerlich! Aha! Sauerlich, Hermann u. Erna. Also, mal hören.
    Er fütterte den Münzschlitz. Die
Groschen, die er einwarf, waren sicherlich eine gute Investition ( Geldanlage ).
    Leos Hand zitterte etwas. Das Klauen
war leicht gewesen, aber jetzt mußte er verhandeln. Da brauchte man Nerven wie
Taue und Kaltschnäuzigkeit. Mit dem Ärmel wischte er sich die Nase. Das
Rufzeichen erklang. Jetzt...
    „Ja, bitte?“
    Eine Frauenstimme, etwas dünn.
    „Ich möchte Frau Erna Sauerlich
sprechen“, sagte Leo und unterdrückte das Beben in der Kehle.
    „Die bin ich. Wer spricht?“
    „Das sage ich nicht. Und Sie werden
gleich merken, weshalb nicht. Ich habe nämlich Ihre Flugzeug-Schachtel, dieses
Handgepäck. Klar? Mit all dem Schmuck drin. Klar?“
    Klößchens Mutter atmete tief.
    „Sie... Sie haben meinen Bordcase?“
    „Sage ich doch.“
    „Sie... haben ihn gefunden?“
    „Äh... na gut, nennen wir’s mal so.
Gefunden in Ihrem Wagen, dem Jaguar. Wo dieser dicke Bengel saß. Der mit dem
Mondgesicht. Hähähähäh!“
    „Sie sind also der Dieb.“ Ernas Stimme
klang scharf. „Und nun? Weshalb rufen Sie an?“
    „Ich denke mir, Sie wollen den Schmuck
zurückhaben.“
    „Ich verstehe. Ich soll ihn auslösen.“
    „Wenn Sie ihn zurückkriegen, ist das
doch einen Finderlohn wert.“
    „Finderlohn? Das würde ich... Moment!“
Sie stockte, wendete sich offenbar vom Hörer ab und sprach weiter. Leo konnte
alles verstehen. „Hermann! Der Dieb ruft an. Wir können meinen Schmuck
zurückkaufen. Für einen Finderlohn, wie dieser Mensch das nennt.“
    Offenbar wechselte der Hörer in eine
andere Hand. Dann tönte eine Männerstimme durch den Draht. Hermann Sauerlich
gehörte bestimmt zu den gutmütigen Menschen, wußte aber auch den Befehlston zu
handhaben — und ging bei Widerspruch auf die Palme.
    „Hier Sauerlich. Wer spricht dort?“
    „Sie hoffen wohl, daß ich aus Versehen
meinen Namen nenne. Mann, ich habe Ihrer Frau schon gesagt,

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