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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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informieren — über den Stand der Dinge.
    Viel Tröstendes, dachte Tim, kann er
nicht Vorbringen. Aber diese furchtbare Sorge betrifft ja nicht nur die
Theisens. Ebenso Gabys Eltern, alle beteiligten Eltern. Und mich erst mal!
Könnte ich Pfote nur helfen! Alles würde ich dafür opfern. Alles!
    Glockner fuhr einen kleinen Umweg zum
Hauptbahnhof. Dort luden sie Tims Rennrad — es war noch da und unbeschädigt -
in den Kofferraum.
    „Vor der großen Versammlung“, sagte
Tim, „wollte ich nicht rausrücken mit meiner neuesten Erkenntnis. Aber jetzt,
da wir allein sind... Ich glaube, ich habe den Typ erkannt, der in der
Telefonzelle anrief. Bin mir ziemlich sicher.“
    Glockner atmete tief. „Und das sagst du
erst jetzt?“
    „Wissen Sie, der Herr Polizeipräsident
sah mir nicht aus, als würde er eine kluge Entscheidung treffen. Ist er
magenkrank? Er wirkte so gequält. Na ja, das Management auf höchster Ebene
verbraucht alle Kraft. Da bleibt nichts mehr, um in der Praxis ranzuklotzen.“
    „Ich leite die Sonderkommission, Tim.
Der Chef läßt mir freie Hand.“
    „Drum. Also, ich weiß zwar nicht, wie
der Anrufer heißt. Aber ich kann ihn beschreiben. Auch Klößchen und Karl haben
ihn gesehen. Dieser Typ — das wissen Sie noch nicht — hat sich an dem Penner
Leo vergriffen: dem Dieb, den wir ja außerdem suchen, weil er Frau Sauerlichs
Schmuck hat. Leo flog raus aus dem ,Halben Ohr’, und der Typ — so ein Blonder,
affig und geschniegelt — wollte seinen Sadismus ( Grausamkeit ) an ihm
auslassen. Ich bin dazwischen gegangen und habe den Blonden hart angefaßt. Leo
bedankte sich bei mir und ist abgehauen. Daß er der Schmuckdieb ist, wußte ich
da noch nicht. Weil Willi mit offenen Augen schlief. Der Blonde — den Eindruck
hatten wir — gehörte zum ,Halben Ohr’. Als wir dann bei Döbbel waren, haben wir
gefragt. Aber der sagte, er kenne ihn nicht.“
    Glockner hielt vor einer Ampel, die rot
zeigte.
    „Es macht Sinn, was du sagst, Tim.
Dieser Döbbel steckt Weidrich Geld zu. Der Blonde gehört zu Döbbels Kneipe.
Dort scheinen wirklich die Fäden zusammenzulaufen. Möglicherweise haben sich
Döbbel und der Blonde zerstritten. Und das erklärt die Panne mit dem Lösegeld.“
    „Wird Döbbel inzwischen observiert?“
    „Es ist angelaufen. Bislang ohne
Ergebnis. Das ,Halbe Ohr’ hat heute geschlossen. Und Döbbel scheint nicht in
seiner Wohnung zu sein. Sie ist im gleichen Haus, liegt über dem Lokal. Auch
von Weidrich nichts Neues. Er macht seinen Dienst.“
    „Observieren“, seufzte Tim, „aber nicht
zugreifen. Das geht erst nach der Befreiung — oder nachdem alle freigelassen
wurden. Scheißspiel, wenn einem so die Hände gebunden sind. Mir fehlt die
Geduld.“
    Glockner parkte vor seiner Adresse,
wobei er mit den rechten Rädern auf den breiten Fußweg fuhr.
    Oskar hörte die beiden und jaulte
hinter der Wohnungstür.
    Gabys Mutter kam ihnen im Flur
entgegen, voller Entsetzen die Augen.
    „Emil! Gut, daß du kommst. Aber um
Minuten zu spät. Der Kidnapper... einer... der sagt, er wäre der Boss — hat
angerufen. Er wußte offenbar, daß die Theisens hier sind. Und... Es ist
unfaßlich. Aber es ist besser... ja, es ist besser, wenn der Professor erzählt.“
    Oskar sprang vor ihnen her. Er war
wieder fröhlich.
    Im großen, gemütlichen Wohnraum saßen
das Ehepaar Theisen, Klößchen und Karl.
    Frau Theisen hatte die Augen
geschlossen und den Kopf zurückgelegt. Ihr Gesicht war sehr bleich. Offenbar
ein Schwächeanfall. Vor ihr stand ein Glas Cognac.
    Klößchen und Karl sandten Tim Blicke
zu, vielsagend und bedeutungsschwer. Aber das ersetzte keine mündliche
Erklärung.
    Professor Theisens Gesicht war nicht
mehr braungebrannt, sondern grau. Er sah aus, als wäre er soeben tödlich
verwundet worden.
    „Ja“, sagte er in die Stille, „Ihre
Frau hat recht, Herr Glockner. Es ist unfaßlich. Ein Mensch, ein grausamer
Mensch sprach übers Telefon mit mir. Italienisch. Ein Italiener. Offensichtlich
weiß er, daß ich seine Sprache beherrsche. Er hat seine Absichten dargelegt,
hat mir begreiflich gemacht, was wirklich hinter diesem Kidnapping steckt. Um
Lösegeld geht es nur nebenbei. Ich könnte beinahe sagen: die drei Millionen
sind unwichtig.“
    Offenbar begreife ich heute langsam,
dachte Tim. Wenn das Lösegeld unwichtig ist — wo, zum Hexenmeister, steckt dann
der Grund für eine Entführung?
    Kommissar Glockner warf seinen Trench
über eine Sessellehne und setzte sich. Tim pflanzte

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