Lösegeld Für Einen Toten
Krankenwärter hat mich abgewiesen.«
Nur noch knapp eine halbe Stunde, und dann waren sie auf dem Rückweg nach Montford, wo sie auf der Rückreise nach Wales die erste Nacht verbringen würden. Eliud führte Einons großen Rotbraunen aus den Ställen, sattelte ihn und zäumte ihn auf, bevor er sich um das Pferd kümmerte, das er selbst geritten hatte und das nun Elis reiten würde, während er selbst hier zurückblieb.
Die Brüder hatten sich nach der gewohnten Mittagsruhe wieder erhoben und tummelten sich im Hof, auf dem Weg zu den ihnen jeweils übertragenen Arbeiten. Der März war schon ins Land gezogen, und in Feld und Garten gab es immer etwas zu tun, ganz abgesehen von den Handwerkern, die im Kreuzgang und im Skriptorium ihre Werkstätten hatten. Bruder Cadfael, der gemächlich zum Garten und seinem Herbarium ging, wurde plötzlich von einem jungen Mann namens Eliud angesprochen, der offenbar eine Auskunft suchte und sich freute, ein bekanntes Gesicht zu sehen.
»Bruder, wenn ich Euch bemühen dürfte - ich habe meine Pflicht versäumt, ich habe etwas vergessen. Mein Herr Einon gab dem Herrn Gilbert seinen Mantel als zusätzliche Decke auf die Bahre. Der Mantel ist aus geschorenen Schafsfellen - habt Ihr ihn gesehen? Ich muß ihn zurückhaben, aber ich will den Herrn Gilbert nicht stören. Wenn Ihr mir sein Zimmer zeigen und mir den Mantel geben wollt...«
»Sehr gern«, sagte Cadfael und übernahm die Führung.
Während sie nebeneinander hergingen, beäugte er heimlich den jungen Mann. Dieses leidenschaftlich gespannte Gesicht war verschlossen und versiegelt, doch in den Augen war Sorge zu erkennen. Er würde immer an den Schwierigkeiten mit seinem leichtfüßigen Ziehbruder zu tragen haben, der sich so unbekümmert in der Welt bewegte. Und nun stand ein neuer Abschied bevor, nachdem sie so kurz vereint gewesen waren - wobei die bevorstehende Heirat von Elis die Trennung wohl zu einer lebenslangen machen würde. »Ihr kennt den Weg«, sagte Cadfael, »wenn auch nicht das Zimmer. Als wir ihn verließen, hat er tief geschlafen, und ich hoffe, er schläft noch. Er schläft in seiner Heimatstadt, seine Familie ist in der Nähe und sein Land wird gut verwaltet; so hat er alles, was er braucht.«
»Dann war er nicht tödlich verletzt?« fragte Eliud leise.
»Er hat nichts, was die Zeit nicht heilen könnte. Doch da sind wir schon. Kommt nur mit mir herein. Ich erinnere mich an den Mantel. Ich sah, wie Bruder Edmund ihn zusammengefaltet auf den Schrank legte.«
Man hatte die Tür der kleinen Kammer einen Spalt offengelassen, damit das Eisenscharnier nicht quietschte; doch als sie nun die Tür weit genug aufzogen, um eintreten zu können, quietschte sie doch wie zum Trotz. Cadfael schob sich schräg durch die Öffnung und hielt einen Augenblick inne, um aufmerksam die große, reglose Gestalt im Bett zu betrachten, die ohne Bewegung und ohne aufzumerken liegenblieb. Die Kohlenpfanne sah aus wie ein kleines, glühendes Auge im halbdunklen Raum. Cadfael ging zum Schrank, auf dem die zusammengefalteten Kleider lagen, und nahm den Schafsfellmantel an sich. Fraglos war es genau der, den Eliud suchte, und doch war Cadfael sich sofort bewußt, daß er sich nicht ganz so anfühlte, wie er sich hätte anfühlen müssen; doch er blieb nicht stehen, um herauszufinden, was verändert war. Er hatte sich gerade wieder zur Tür umgewendet, an der der junge Mann, halb drinnen und halb draußen, ängstlich starrend wartete, als Eliud einen Schritt zur Seite machte, um Cadfael den Vortritt zu lassen, und dabei den Stuhl umwarf, der vor der Tür stand. Er fiel mit einem lauten, hölzernen Klappern um, und Eliud bückte sich, um ihn vom Kachelboden aufzuheben.
Cadfael, der ihm mit einer schnellen Handbewegung Schweigen gebot, fuhr herum, um zu sehen, ob der Lärm den Schläfer aufgeschreckt hatte.
Keine Bewegung, kein tieferer Atemzug, kein Seufzen.
Der langgestreckte Körper, der sich unter den Bettlaken kaum abzeichnete, lag reglos wie zuvor. Zu reglos. Cadfael trat näher und streckte eine Hand aus, um das Mundtuch fortzuziehen, das den grauen Bart bedeckte und den Mund verbarg. Die bläulichen Augenlider in den eingesunkenen Höhlen starrten ihn an wie die geschnitzten Augen einer Grabskulptur. Die Lippen waren halb geöffnet und ein wenig von den zusammengebissenen Zähnen zurückgezogen, als litte der Mann an einem beständigen, gewohnten Schmerz. Die hagere Brust bewegte sich nicht mehr. Gilbert Prestcotes Schlaf
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