Lösegeld Für Einen Toten
Cadfael.
Sogleich ruhten alle Blicke auf ihm. Die ganze Zeit hatte ihn ein Bröckchen seiner Erinnerung geplagt, das er nicht recht einordnen konnte. Er hatte den zusammengefalteten Schafsfellmantel von dem Schrank genommen, auf den Edmund ihn gelegt hatte, und etwas daran war anders gewesen, wenn er auch nicht ergründen konnte, was es war.
Und dann hatte die Begegnung mit dem Tod die Angelegenheit aus seinem Bewußtsein verdrängt; doch sie war die ganze Zeit dagewesen und plötzlich fiel es ihm ein: Der Mantel war jetzt fort, mit Einon ab Ithel auf dem Rückweg nach Wales, aber Edmund war da und konnte bestätigen, was er sagen wollte.
Und ebenso Eliud, der die Besitztümer seines Herren kennen mußte.
»Als wir Gilbert Prestcote entkleideten und zu Bett brachten«, sagte er, »wurde der Mantel, in den er gehüllt war und der Einon ab Ithel gehörte, zusammengefaltet beiseite gelegt - Bruder Edmund wird sich daran erinnern -, und zwar dergestalt, daß am Kragen eine große goldene Nadel zu sehen war, die als Befestigung diente. Als Eliud hier hereinkam und mich bat, ihm die Kammer zu zeigen und ihm den Mantel seines Herrn zu übergeben, war der Mantel zwar gefaltet wie zuvor, aber die Nadel war verschwunden. Kein Wunder, daß wir sie vergaßen, nachdem wir den Sheriff tot fanden. Aber ich wußte, daß da etwas gewesen war, das ich im Kopf behalten mußte, und nun habe ich mich daran erinnert.«
»Es ist wahr!« rief Eliud, dessen Gesicht glühte. »Ich habe gar nicht daran gedacht! Und ich habe, ohne ein Wort zu sagen, meinen Herrn ohne die Nadel gehen lassen. Als wir ihn auf die Bahre legten, befestigte ich, weil der Wind so kalt blies, selbst den Mantelkragen mit ihr, aber in all der Aufregung habe ich vorher vergessen, sie zu suchen. Und hier steht Elis, der, seit er die Krankenstation verließ, nicht mehr allein war - Ihr könnt jeden fragen! Wenn er sie nahm, dann hat er sie noch.
Und wenn er sie nicht hat, dann war jemand anderes dort drinnen und hat sie genommen. Mein Ziehbruder ist kein Dieb und kein Mörder!«
»Cadfael spricht die Wahrheit«, sagte Edmund. »Die Nadel war deutlich zu sehen. Wenn sie fort ist, dann ging jemand anders hinein und nahm sie.«
Trotz der unveränderten Bitterkeit und des Kummers in Melicents Gesicht funkelten Elis' Augen hoffnungsvoll. »Zieht mich aus!« verlangte er zornig. »Durchsucht mich! Ich ertrage es nicht, für einen Dieb und Mörder gehalten zu werden.«
Eher um ihm Gerechtigkeit zu tun, als weil er wirklich daran glaubte, nahm Hugh ihn beim Wort, ließ aber nur Cadfael und Edmund in der Zelle Zeugen sein. Elis riß sich die Kleider vom Leib und ließ sie zu Boden fallen, bis er nackt mit auseinandergestellten Beinen und ausgebreiteten Armen in der Kammer stand. Verächtlich und schmerzhaft zog er die Finger durch die dicke Lockenmähne und schüttelte heftig den Kopf, um zu zeigen, daß auch dort nichts versteckt sei. Nun, da er Melicents anklagenden Blicken entronnen war, stiegen die Tränen, die er trotzig unterdrückt hatte, verräterisch in seine Augen und er blinzelte sie stolz fort.
Hugh ließ ihn allmählich und in rücksichtsvollem Schweigen zur Ruhe kommen.
»Seid Ihr nun zufrieden?« fragte der Junge förmlich, als er seine Stimme wieder in der Gewalt hatte.
»Und Ihr?« erwiderte Hugh lächelnd.
Es gab ein kurzes, fast tröstliches Schweigen. Dann sagte Hugh milde: »Kleidet Euch wieder an. Laßt Euch nur Zeit.« Und während Elis sich mit Händen, die nun zu zittern begannen, wieder anzog, fuhr er fort: »Ihr versteht sicher, daß ich Euch, Euren Ziehbruder und die anderen Männer streng bewachen muß. Denn in diesem Augenblick seid Ihr nicht weniger in Verdacht als die vielen, die zu diesem Haus gehören, und Ihr werdet erst entlassen, wenn ich bis auf die Minute genau weiß, wo sie den Morgen bis zum Mittag verbrachten. Dies ist erst der Anfang, und Ihr seid nur einer von vielen.«
»Das verstehe ich«, sagte Elis mit schwankender Stimme.
Er zögerte, ehe er um eine Gunst bat: »Muß ich denn von Eliud getrennt werden?«
»Ihr sollt Euren Eliud haben«, erwiderte Hugh.
Als sie wieder zu den anderen hinausgingen, die im Vorraum warteten, standen die beiden Frauen auf; sie sehnten sich anscheinend danach, sich zurückzuziehen. Sybilla hatte höchstens ihre halbe Geisteskraft zur Unterstützung ihrer Stieftochter aufgeboten. Die größere Hälfte war bei ihrem Sohn, und während sie zwar ihrem älteren Gatten, den sie auf ihre Weise
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