Lösegeld Für Einen Toten
Euch einen Platz an der Haupttafel geben.«
Da er nun auf Einons Ankunft warten mußte, vertrieb Cadfael sich die Zeit damit, beim Abendessen die Versammlung in Tudurs Halle zu studieren und die Gesellschaft zu genießen, die Wärme des Hauptkamins, die Fackeln, den Wein und das Harfenspiel. Ein Mann von Tudurs Rang hatte das Privileg, zusätzlich zu seiner Pflicht, den reisenden Musikern ein großzügiger Gastgeber zu sein, eine Harfe zu besitzen und einen eigenen Harfner zu beschäftigen. Und da der Prinz als Held zu preisen war, entstand ein Wettkampf der Sänger, der die ganze Mahlzeit über dauerte. Im Hof herrschte immer noch reges Kommen und Gehen: Nachzügler ritten ein, Offiziere aus den Lagern, die an den Grenzen patrouillierten und Posten austauschten, und die Frauen waren da, die Dinge hin-und hertrugen und innehielten, um mit den Bogenschützen und Bewaffneten zu sprechen. Hier war nun eben der Hof von Gwynedd, zu dem alle kommen mußten, wo Bittsteller, Überbringer von Geschenken und junge Männer Dienst und Gunst suchten.
Die Tische waren abgedeckt und Met und Wein wurde schon reichlich ausgeschenkt, als Tudurs Hausverwalter in die Halle kam und sich zur Haupttafel wandte.
»Mein Herr, da ist einer gekommen, der um Erlaubnis bittet, Euch seinen leiblichen Sohn vorzustellen, den er erst vor zwei Tagen als seinen rechtmäßigen Nachkommen anerkannt hat. Es ist Griffri ap Llywarch aus dem nahegelegenen Meifod.
Wollt Ihr ihn anhören?«
»Aber gern«, sagte Owain und hob den hellhaarigen Kopf, um mit einiger Neugierde durch Qualm und Schatten zum Eingang der Halle zu blicken. »Laßt Griffri ap Llywarch eintreten. Er soll willkommen sein.«
Cadfael hatte nicht auf den Namen gehört, und selbst wenn er das getan hätte, hätte er ihn sicher nicht erkannt. Der Neuankömmling folgte dem Hausverwalter in die Halle und zwischen den Tischen hindurch zur Haupttafel. Es war ein schlanker, sehniger Mann, etwa fünfzig Jahre alt, mit schütterem Haar und Bart, dem Gang eines Mannes aus den Bergen und dem verwitterten Gesicht und den faltigen, weitblickenden Augen eines Schäfers. Seine Kleidung war von schlichtem Braun, doch gutes, selbstgemachtes Tuch. Er kam geradewegs zum Podest und entbot dem Prinzen die höfliche, doch nicht unterwürfige Ehrerweisung der Waliser.
»Mein Herr Owain, ich habe Euch meinen Sohn gebracht, auf daß Ihr ihn kennenlernt und ihm Eure Gunst erweist. Denn der einzige Sohn, den meine Frau mir schenkte, ist seit mehr als zwei Jahren tot, und ich blieb dann kinderlos, bis dieser Sohn von einer anderen Frau, mit der ich früher etwas zu tun hatte, zu mir kam und sich als mein Sohn erklärte und mir das auch bewies. Ich habe ihn als den meinen anerkannt und ihn in meine Sippe aufgenommen und als meinen Sohn akzeptiert.
Und nun erbitte ich auch Eure Zustimmung.«
Er hielt sich stolz und aufrecht, froh über das, was er zu sagen hatte, und erfreut über den jungen Mann, den er vorstellen wollte. Sein Weg durch die Halle war von höflichem Schweigen begleitet gewesen. Schatten und Rauch umhüllten die Gestalt, die ihm respektvoll in einigen Schritten Abstand gefolgt war. Das Geräusch der Schritte des jungen Mannes konnte man kaum hören; sie waren zögernd, unregelmäßig, einen Fuß schien er nachzuziehen. Cadfaels Blicke fielen auf den Sohn, als er zögernd ins Fackellicht vor die Haupttafel trat.
Er kannte diesen Mann, wenn das schwarze Haar jetzt auch geschnitten und stolz aus einem Gesicht zurückgekämmt war, das nicht mehr düster und verschlossen, sondern offen, hoffnungsvoll und energisch wirkte - unter der Achsel war keine stützende Krücke mehr zu sehen.
Cadfael blickte zwischen Anion ap Griffri und Griffri ap Llywarch hin und her, dessen trostlose und kinderlose mittlere Lebensjahre durch diesen unerwarteten Sohn plötzlich mit Herzenswärme, Hoffnung und Zufriedenheit erfüllt worden waren. Das selbstgemachte Tuch hing lose auf Griffiths Schultern, gehalten von einer langen Nadel mit einem großen Kopf aus getriebenem Gold, die mit einer schmalen Goldkette gesichert war. Und auch dieses Ding hatte Cadfael schon einmal gesehen. Und kannte es nur zu gut.
Er war nicht der einzige. Einon ab Ithel war hereingekommen wie einer, der mit dem Haus vertraut ist und nicht wünscht, ungebührliche Unruhe zu schaffen. Er war aus den Privatgemächern durch die hohe Tür getreten und tauchte unbemerkt hinter dem Tisch des Prinzen auf. Der Mann, der im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
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