Lösegeld Für Einen Toten
verlassen. »Ich habe nicht getötet«, sagte er heiser, während seine Brust sich schwer hob, damit er genug Luft zum Sprechen bekam. »Mein Herr, ich wußte nicht... Ich dachte, die Nadel sei seine, Prestcotes. Ich nahm sie aus dem Mantel, ja...«
»Nachdem Ihr ihn getötet hattet«, sagte Einon barsch.
»Nein! Ich schwöre es! Ich habe den Mann nicht angerührt.« Er drehte sich verzweifelt flehend zu Owain um, der leidenschaftslos lauschend am Tisch saß, die Finger leicht um den Stiel seines Weinglases gelegt, die Augen hellwach und aufmerksam. »Mein Herr, so hört mich an! Und haltet meinen Vater aus allem heraus, denn alles, was er weiß, habe ich ihm erzählt, und ich will Euch dasselbe sagen, und so wahr Gott mich sieht, ich lüge nicht.«
»Gebt mir die Nadel, die Ihr tragt«, sagte Owain. Und als Griffri sie hastig mit zitternden Fingern gelöst und dem Prinzen in die Hand gegeben hatte, fuhr er fort: »So! Ich kenne dieses Ding zu lange und habe es zu oft gesehen, um daran zu zweifeln, wessen Eigentum es ist. Von Euch, Bruder, und von Einon hier weiß ich, wie es offen am Bett des Sheriffs zu liegen kam. Nun mögt Ihr mir erklären, Anion, wie es in Euren Besitz kam. Ich bin des Englischen mächtig, macht Euch also keine Sorge, mißverstanden zu werden. Und Bruder Cadfael wird Eure Worte ins Walisische übersetzen, damit Euch auch die anderen verstehen.«
Anion schnappte nach Luft und begann mit einer heiseren Stimme, die an Kraft und Leidenschaft gewann, während er sprach. Schrecken und Angst hatten seine Kehle beengt, doch der Fluß der Worte spülte die Behinderung fort. »Mein Herr, bis vor ein paar Tagen hatte ich meinen Vater noch nie gesehen und er mich auch nicht, aber ich hatte, wie er bereits sagte, einen Bruder, den ich zufällig kennenlernte, als er nach Shrewsbury kam, um Wolle zu verkaufen. Ein Jahr lag zwischen uns, ich bin der Ältere. Er war mein Bruder, und ich schätzte ihn. Und einmal, als er die Stadt besuchte und ich nicht dort war, gab es einen Kampf, ein Mann wurde getötet und meinem Bruder wurde die Tat angelastet. Gilbert Prestcote ließ ihn hängen!«
Owain blickte zur Seite zu Cadfael und wartete, bis die Antwort ins Walisische übersetzt war. Dann fragte er: »Wißt Ihr von diesem Fall? Wurde er ordentlich verhandelt?«
»Wer weiß, durch welche Hand der Tod kam?« sagte Cadfael. »Es war eine Straßenschlägerei, die jungen Männer waren betrunken. Gilbert Prestcote war von Natur aus übereifrig, aber gerecht. Nur eines ist gewiß: Hier in Wales wäre der junge Mann nicht gehängt worden. Ein Blutpreis wäre für den Toten bezahlt worden.«
»Fahrt fort«, sagte Owain.
»Ich trug von diesem Tage an einen Groll im Herzen«, sagte Anion, dessen Leidenschaft jetzt immer mehr durchbrach.
»Aber wann kam ich je in Reichweite des Sheriffs? Erst als Eure Männer ihn verwundet nach Shrewsbury schleppten und in der Krankenstation unterbrachten, war das der Fall. Und ich war also mit meinem fast verheilten gebrochenen Bein dort, dieser Mann nur zwanzig Schritte von mir entfernt, nur eine Wand war zwischen uns, mein Feind war mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Als alles still war und die Brüder beim Essen saßen, ging ich in sein Krankenzimmer. Er schuldete meinem Haus ein Leben - und auch wenn ich ein Mischling bin, in diesem Augenblick fühlte ich mich als Waliser und wollte Rache üben - ich wollte töten! Der einzige Bruder, den ich je hatte, ein fröhlicher, gutaussehender Mann, war für einen unglücklichen Schlag, als er betrunken gewesen war, gehängt worden! Ich ging hinein, um zu töten. Aber ich konnte es nicht tun! Als ich meinen Feind so geschwächt sah, so alt und müde mit kaum noch Blut und Atem im Leib... Ich stand neben ihm und beobachtete ihn, und alles, was ich fühlte, war Trauer. Es schien mir, daß hier Rache nicht mehr nötig sei, denn sie war bereits geschehen. So dachte ich an etwas anderes. Es gab kein Gericht, das einen Blutpreis festsetzen und die Zahlung bewirken konnte, aber im Mantel neben seinem Bett war jene Goldnadel. Ich hielt sie für seine. Woher sollte ich es anders wissen? So nahm ich sie als galanas, um die Schuld und den Groll zu sühnen. Aber am Ende jenes Tages wußte ich, wie wir jetzt alle wissen, daß Prestcote tot war, gestorben durch Mord, und als man auch mich zu befragen begann, wußte ich, man würde mir die Schuld an seinem Tod geben, wenn je herauskam, was ich getan hatte. Deshalb lief ich fort. Ich wollte sowieso
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