Lösegeld Für Einen Toten
eines Tages hierher kommen und meinen Vater suchen und ihm erzählen, daß der Tod meines Bruders gesühnt war, doch weil ich Angst hatte, mußte ich schnell laufen.«
»Und zu mir ist er gekommen«, sagte Griffri ernst, die Hand auf die Schulter seines Sohnes gelegt, »und er zeigte mir als Beweis den gelben Stein, den ich vor langer Zeit seiner Mutter schenkte. Doch ich erkannte ihn vor allem am Gesicht...
Er sieht aus wie der Bruder, den er verlor. Und er gab mir dieses Ding, das Ihr jetzt haltet, Herr, und erklärte mir, der Tod des jungen Griffri sei gesühnt und dies sei der Preis für sein Blut, womit der Groll begraben sei, denn unser Feind war tot.
Da verstand ich ihn noch nicht genau, und ich erklärte ihm, daß er kein Recht habe, auch noch einen Preis zu nehmen, wenn er Griffris Mörder erschlagen hatte. Aber er schwor mir mit feierlichen Eiden, daß nicht er den Mann getötet hätte, und ich glaube ihm. Und nun urteilt, ob ich das Glück haben soll, in meinen mittleren Lebensjahren einen Sohn zu finden, der mir im Alter eine Stütze ist. Um Himmels willen, Herr, nehmt ihn mir jetzt nicht fort!«
Im ängstlichen, nachdenklichen Schweigen, das auf Cadfaels Übersetzung von Anions Worten folgte, hatte der Bruder Gelegenheit, das unbewegliche Gesicht des Prinzen zu beobachten. Das Schweigen dauerte eine lange Minute, denn niemand wollte sprechen, solange Owain nicht die Erlaubnis dazu gegeben hatte. Und auch er selbst war nicht in Eile. Er betrachtete Vater und Sohn, die sich unter dem Podest ängstlich beisammenhielten, er betrachtete Einon, dessen Gesicht verschlossen war wie sein eigenes, und zuletzt Cadfael.
»Bruder, Ihr wißt besser als jeder andere hier, was in der Abtei von Shrewsbury vor sich ging. Ihr kennt diesen Mann.
Was meint Ihr? Glaubt Ihr seine Geschichte?«
»Ja«, sagte Cadfael mit ernster und von Herzen kommender Eindringlichkeit. »Ich glaube ihm. Es paßt zu allem, was ich weiß. Aber ich möchte Anion eine Frage stellen.«
»Dann stellt sie.«
»Ihr habt am Bett gestanden, Anion, und den Schläfer betrachtet. Seid Ihr sicher, daß er da noch lebte?«
»Aber gewiß«, sagte Anion verwundert. »Er atmete, er stöhnte sogar im Schlaf. Ich sah und hörte ihn. Er lebte.«
»Mein Herr«, sagte Cadfael, Owains fragendem Blick begegnend, »eine kleine Weile später wurde ein zweiter gehört, der den Raum betrat und verließ; jemand, der nicht zögernd ging wie Anion, sondern leicht. Dieser zweite nahm nichts, es sei denn ein Leben. Außerdem glaube ich, was Anion uns erzählte, weil ich noch ein zweites Ding finden muß, bevor ich Gilbert Prestcotes Mörder gefunden habe.«
Owain nickte verstehend und dachte eine Weile schweigend nach. Dann nahm er die Goldnadel mit einer raschen Bewegung in die Hand und hielt sie Einon hin. »Was sagt Ihr? War es ein Diebstahl?«
»Ich bin es zufrieden«, sagte Einon und lachte und löste damit die Spannung in der Halle. In der allgemeinen Unruhe und dem Murmeln, als die Menschen sich wieder beruhigten, wandte sich der Prinz an seinen Gastgeber.
»Dann schafft dort unten einen Platz, Tudur, für Griffri ap Llywarch und seinen Sohn Anion.«
11. Kapitel
Und nun ging Shrewsburys Hauptverdächtiger, der Mann, den der Klatsch bereits gehängt und begraben hatte, hinter seinem Vater die Halle hinunter und stolperte ein wenig, benommen wie ein Mann im Traum. Doch dann begann er zu strahlen, als wäre in ihm eine Fackel entzündet worden; er schritt mit seinem Vater zu ihren Plätzen an einem der Tische, ein gleicher unter gleichen. Gezeugt beim Fehltritt einer Dienstmagd ohne Besitz und Privilegien, war er plötzlich ein freier Mann geworden, der einen rechtmäßigen Platz in seiner Verwandtschaft besaß, Erbe eines geachteten Mannes war und von seinem Prinzen akzeptiert wurde. Die Gefahr, die ihn gezwungen hatte, Fersengeld zu geben, war zum größten Segen seines Lebens geworden und hatte ihn zu der einzigen Stellung geführt, die ihm nach walisischem Recht zustand: der wahre Sohn eines Vaters zu sein, der ihn stolz anerkannte. Hier war Anion kein Bastard.
Cadfael sah die beiden zu ihren Plätzen gehen und freute sich, daß aus dem Bösen wenigstens ein Gutes entstanden war. Wie sonst hätte der junge Mann den Mut gefaßt, seinen weit entfernten, unbekannten Vater zu suchen, der noch dazu eine fremde Sprache sprach, wenn ihn nicht die Angst getrieben und ihm den Sprung über die Grenze erleichtert hätte? Der Ausgang war gewiß den Schrecken wert,
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