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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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stehen hier drauf, guter Mann, und wir haben uns beim Kanzler des Königs vor Wochen angemel…«
    Der Wächter schnappte sich die Schriftrolle und warf einen Blick hinein. Edith war sicher, dass er lesen konnte. Dennoch tat er so, als sei ihm die Liste ein Buch mit sieben Siegeln. Schließlich ließ er das Dokument fallen.
    »Ups«, sagte er. Dann trat er auch noch mit seinem verdreckten Stiefel darauf. »Ups!«
    Allgemeines Gelächter ertönte.
    »Ihr seid doch das Volk der Schrift«, sagte der Wächter. »Heb also deine Schrift mal besser auf.«
    Jakob wollte sich bücken, aber Judah war schneller. »Bitte, Rabbi!«, stieß er flehentlich hervor. Er beugte sich zu der in den Schmutz getretenen Schriftrolle hinunter. Ein Tritt traf ihn in den Hintern. Er fiel aufs Gesicht.
    »Ups!«, sagte der Wächter und senkte den Fuß.
    Die Umstehenden johlten, als hätten sie gerade einen besonders gelungenen Gauklertrick gesehen. Der Wächter blickte sich Beifall heischend um.
    Judah richtete sich langsam auf und reichte Jakob das zerknitterte, verdreckte Pergament. Dann klopfte er sorgfältig den Schmutz von seiner Kleidung. Der Wächter blickte verdutzt drein. Er schien darüber nachzugrübeln, welche Demütigung wohl groß genug wäre, um die beiden Würdenträger außer Fassung zu bringen.
    »Schickt die Juden nach Hause!«, schrie jemand aus der Menge.
    »Die haben doch gar kein Zuhause!«, schrie ein anderer.
    »Doch – in der Hölle!«
    »Dann schickt die Juden in die Hölle!«
    Edith sah sich gehetzt um. In ihrer Brust war ein Trommelwirbel, Panik schnürte ihr die Kehle zu. Überall war Gedränge, nirgends ein Fluchtweg.
    Die Juden drängten sich zusammen. Es war bitter mit anzusehen – eine Handvoll gelehrter Herren, vom Mob umringt.
    »Juden raus!«, schrie eine Stimme aus der Menge.
    Der Ruf wurde sofort aufgenommen. »Juden raus! Juden raus! Ju-den-raus-ju-den-raus!«
    Jakob von Orléans erhob seine Stimme. »Wir bringen Geschenke für König Richard!«
    »Juden bringen Unglück!«, kreischte eine Frauenstimme. »Lasst sie nicht vor den König, sie werden sein Tod sein!«
    Bei diesen Worten zuckte Edith zusammen. Genau das hatte die alte Brida ihr vorausgesagt. Doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln, denn Judah ben Isaac packte sie an der Schulter und schob sie und Robert beiseite. »Verschwindet auf der Stelle!«, flüsterte er. »Hier fliegen gleich die Steine!«
    Das Grölen der Menge schwoll immer weiter an. Kaufleute, Ritter und Geistliche kamen heraus, um den Grund für den Aufruhr zu erfahren. Ein Mann im Bischofsornat, den Edith für den Erzbischof von Canterbury hielt, den Geistlichen, der Richard zum König gekrönt hatte, grinste selbstgefällig.
    »Ju-den-raus!«
    Der Wächter, der Judah den Fußtritt versetzt hatte, packte einen der Patriarchen an seinem Bart. Der Mann schrie auf. Der Wächter schlug ihm mit der anderen Hand in den Bauch. Der alte Mann fiel auf die Knie.
    Dann brüllte jemand mit sich überschlagender Stimme: »Schlagt das Pack tot!«
    Edith hatte sich unwillkürlich an Roberts Arm gekrallt. Jetzt spürte sie, wie ihr Bruder sich losriss. Er stürzte sich auf den Wächter, der gerade versuchte den jüdischen Patriarchen an seinem Bart wieder in die Höhe zu zerren. Glücklicherweise kam Robert in der Aufregung nicht auf Idee, sein Schwert zu ziehen. Stattdessen versetzte er dem Wachsoldaten einen Stoß, sodass dieser sein Opfer losließ und ein paar Schritte nach hinten taumelte. Nur sein Kamerad bewahrte ihn vor einer schmerzhaften Landung auf dem Hintern. Er rappelte sich hoch und musste verwirrt feststellen, dass sein Angreifer ein Christ war. Da brüllte er wutentbrannt auf, riss sein Haumesser aus der Scheide und ging auf Robert los.
    »Nein!« Ediths Schrei ging im allgemeinen Getöse unter.
    Robert duckte sich. Das Haumesser sauste über seinen Kopf hinweg. Er sprang zur Seite und entging so einem weiteren Hieb. Die ganze Situation glich so sehr Roberts verunglückter Trainingsstunde mit Victors Knappen, dass Edith voller Angst keuchte. Auch beim Üben hatte ein erfahrener Kämpfer nur Sekunden gebraucht, um Roberts erbärmliche Angriffe abzuwehren.
    Robert fiel über seine Füße und dann auf den Rücken. Er krabbelte nach hinten. Seine Miene war starr vor Schreck. Der Wächter setzte nach und holte mit dem Haumesser aus.
    Aber da war Edith schon da, warf sich über Robert und hielt abwehrend den Arm nach oben.
    Der Wächter schlug zu.
    Metall traf klirrend

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