Löwenherz. Im Auftrag des Königs
auf Metall. Die Menge seufzte so laut auf, dass es wie ein Windstoß klang.
Edith starrte nach oben. Ihr Herz raste.
Keine Armlänge hoch über ihr lagen drei Klingen über Kreuz und zitterten noch vom Aufprall: das breite Haumesser des Wächters, dessen Augen sich nun verblüfft weiteten; ein nagelneues, glänzendes Schwert mit einer Inschrift, das zu einem hochgewachsenen, rotblonden Mann mit kurz geschnittenem Kinnbart gehörte – und eine dritte, kurze Klinge, deren braunhaariger Besitzer keuchend auf Edith heruntersah.
Der Wächter ließ sein Haumesser fallen und sank vor dem rotblonden Mann auf die Knie. »Euer Gnaden«, flüsterte er.
Robert, offensichtlich völlig durcheinander, rief: »Johnny, das ist mein Schwert!«
Ediths Blicke wanderten von Johnny Greenleaf zu dem rotblonden Mann und dann zur Menge der Zuschauer, durch die eine Wellenbewegung ging: Einer nach dem anderen kniete nieder. Das Gegröle war völlig verstummt. Jakob und seine Leute verharrten zunächst reglos, dann knieten auch sie nieder.
Johnny Greenleaf, wie Robert nicht ganz auf der Höhe der Ereignisse, sagte: »Das war Rettung im allerletzten Moment, was?«
Aber Edith hatte keine Augen für ihn. Sie blickte nur den fremden Mann an: Seine helle Haut war auf Nasenrücken und Wangen voller Sommersprossen, seine Augen leuchteten blau. Auch er betrachtete Edith genau. Schließlich lächelte er. Sie fühlte, wie dieses Lächeln sich auf ihrem eigenen Gesicht widerspiegelte.
Dann blickte der Mann zu Johnny hinüber. »Wenn Ihr Euer Schwert senkt, Mylord, senke ich auch das meine«, sagte er auf Normannisch.
Johnny, der außer »Mylord« kein Wort verstanden, aber immerhin bemerkt hatte, dass die theatralische Wirkung seiner halsbrecherischen Rettungsaktion durch den Fremden zunichtegemacht worden war, rührte sich nicht.
»Johnny«, sagte Edith wie im Traum, »lass das Schwert fallen und knie nieder! Das ist König Richard.«
Richard reichte Edith galant die Hand und sagte in rührend unbeholfenem Angelsächsisch: »Lasst Eusch ’elfen auf, Mylady!«
Edith ließ sich hochziehen. Es dauerte nur eine Sekunde, aber in dieser Sekunde spürte sie alles: die Wärme von König Richards Hand, seinen festen Griff, die Hornhaut an der Innenseite seiner Finger, die vom Führen der Waffen kam, die Erregung, die die Berührung durch ihren Körper sandte, ihren Herzschlag.
Dann erst erinnerte sie sich voller Entsetzen daran: dass sie die Hand des Königs von England festhielt. Und ihr fiel erneut die Prophezeiung der alten Brida ein. Sie zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt, und sank auf die Knie.
»Euer Gnaden«, wisperte sie kaum hörbar.
Das größte Entsetzen aber kam von der augenblicklichen Gewissheit: König Richard war der Mann, dem von nun an ihr Herz gehörte.
20
L asst die Juden nach Hause gehen!«, befahl König Richard in die Stille hinein. Dann hieß er Jakob von Orléans aufstehen. Leise sagte er zu ihm: »Geht in Frieden! Ich weiß Eure Gaben zu schätzen, aber ich kann sie nicht annehmen. Ihr seht ja, wie aufgeheizt die Stimmung im Volk ist. Seid jedoch versichert: Alle Rechte, die meine Vorgänger Euch gewährt haben, sollt Ihr auch unter meiner Regentschaft behalten.«
Dann deutete er auf Edith, Robert und Johnny Greenleaf. »Diese drei sind meine Gäste«, sagte er. »Wachen – geleitet sie hinein.« Mit langen Schritten eilte er zurück in die Krönungshalle.
Edith folgte den anderen wie benommen. Sie konnte an nichts anderes denken als an den König. Dieses kühne Gesicht! Seine Züge ähnelten in ihrer Klarheit so sehr denen seiner Mutter Aliénor, nur waren sie herber, männlicher. Dieser feste Händedruck! Das Strahlen der blauen Augen!
»Ich bin ausgerissen und euch bis hierher gefolgt«, flüsterte Johnny, der sich an Ediths Seite gedrängt hatte. »Vater war so damit beschäftigt, die Höhle gegen einen Angriff des Sheriffs zu befestigen, dass er gar nicht auf mich geachtet hat. Er hat mich nicht mal verprügelt.«
»Hm«, machte Edith.
»Du könntest ruhig mal Danke sagen«, beschwerte Johnny sich. »Immerhin habe ich dir gerade das Leben gerettet.«
»Was? Oh … ja, danke schön.«
»Und außerdem hab ich kurz vorher England im Alleingang von den Normannen befreit, Irland im Meer versenkt und dem Papst beigebracht, mit dem Bogen zu schießen«, sagte Johnny verzweifelt.
»Aha. Sehr schön.«
Johnny wandte sich enttäuscht ab.
Auf diesen Augenblick hatte Robert gewartet. »Das ist mein
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