Löwenherz. Im Auftrag des Königs
Euch sage, dass noch jemand eine Audienz wünscht. Ein Mann, der vor einem Jahr im Heiligen Land verschollen ist, soll für tot erklärt werden. Zwei Ehen sollen mit Eurer Erlaubnis geschlossen werden. Jemand soll in ein Kloster eintreten. Außerdem wird um die Erlaubnis gebeten, einen eingekerkerten Gesetzlosen zu brandmarken und aus der Stadt zu peitschen.«
»Wie viele Audienzen sind das denn?«
»Nur eine, Euer Gnaden.«
»Diese Leute haben aber viele Sorgen auf einmal. Sagt ihnen, ich habe jetzt keine Zeit für solche Kleinigkeiten.«
Guilhelm hüstelte. »Eure Mutter, Königin Aliénor, lässt Euch ausrichten, dass Ihr viel daran läge, wenn Ihr die Leute empfangen würdet. Es handelt sich um Verwandte.«
»Verwandte! Verwandte! Allein über meine Mutter bin ich mit dem halben Kontinent verwandt.«
»Der Mann, der für tot erklärt werden soll, war Angelsachse. Seine Frau ist Normannin.«
»Also eine der Ehen, die mein Vater eingefädelt hat, damit Angelsachsen und Normannen zu einem Volk werden. Auch das noch. Ganz egal, wie ich entscheide, irgendjemand fühlt sich immer beleidigt – entweder die Normannen oder die Angelsachsen. Natürlich ist die angestrebte neue Ehe eine rein normannische?«
»Euer Gnaden kennen die Seele der Normannen sehr gut.«
Richard winkte ab. »Meine Mutter will also, dass ich die Audienz gewähre?« Er seufzte. »Immer muss sie mitregieren, die gute Mama, ganz egal in welcher Position. Na gut, bringt die Bittsteller rein, mein Freund.«
Das Paar, das vor Richard geführt wurde und sich tief vor ihm verneigte, erinnerte ihn an seine Eltern. Als er noch ein kleiner Junge gewesen war, war es zwischen König Henri und Königin Aliénor genauso gewesen: verstohlene Seitenblicke, unwillkürliches Lächeln, Hände, die sich wie zufällig berührten.
Doch bald danach waren seine Mutter und sein Vater erbitterte Feinde geworden. Nicht zuletzt diese Feindschaft hatte König Henri in einen frühen Tod getrieben. Richard fragte sich unwillkürlich, was aus diesen beiden Menschen hier mit der Zeit werden würde.
»Also raus damit«, sagte er leutselig. »Wie kann ich dafür sorgen, dass Ihr lächelnd aus dieser Halle geht?«
Eine Viertelstunde später lehnte er sich nachdenklich in seinem Stuhl zurück.
»Ich hoffe zu Gott, dass der arme Teufel wirklich tot ist«, sagte er. »Wenn nicht, hab ich soeben einen lebenden Toten aus ihm gemacht.«
»Wenn Lord Wilfrid überlebt hätte, wäre er längst wieder zurück«, sagte Guilhelm de Longchamp.
»Hm … Wilfrid de Kyme … Der Name sagt mir was …«
»Er hat die Gesandtschaft angeführt, die Euer Vater zu Sultan Saladin geschickt hat – Ihr wisst schon …«
Richard schnippte mit den Fingern. »Natürlich, das war’s! Aber das Schiff ist doch nicht gekentert, sondern von Piraten …«
»Da die Mission geheim war, wollte Euer Vater so wenig Aufsehen wie möglich. Bei einem Piratenüberfall gibt es immer Nachfragen, bei einem normalen Schiffsunglück nicht.«
»Nachfragen? Zum Beispiel, ob es nicht Überlebende gegeben hat und für diese nun Lösegeld …«
»Es gab keine Überlebenden, Euer Gnaden. Und wenn eine Lösegeldforderung gestellt worden wäre, hätte Lady Diane sie entweder gezahlt oder Eure Eltern um Hilfe gebeten. Lord Wilfrid ist tot, Euer Gnaden, und Ihr habt einer armen Seele Frieden gegeben.«
»Und die Witwe und ihre Tochter verheiratet. Und dem Sohn seinen Herzenswunsch erfüllt, Mönch zu werden. Was mag der junge Bursche nur für ein Waschlappen sein, dass er freiwillig ins Kloster will?«
»Der Tod des Vaters kann auch ein tapferes Herz brechen, Euer Gnaden.«
»Hm!«
Einer der Wachen vom Eingang kam herbei und nahm Haltung an. »Da ist jemand, der ein Geschenk für Euer Gnaden hat«, meldete er.
Guilhelm winkte ab. »Seine Gnaden empfängt heute niemanden mehr.«
»Lasst nur, Guilhelm. Vielleicht bekommt dieser mistige Tag tatsächlich noch etwas Gutes. Ein Geschenk? Ich bin gespannt.«
Ein wie ein Bürger gekleideter Mann, dessen Miene respektvoll und zugleich selbstbewusst schien, trat vor den König. Auf dem Arm trug er einen Gegenstand, der in einer Lederhülle steckte.
Der Mann kniete nieder und reichte ihm das Geschenk.
»Eine Zunftgabe?«, fragte Richard.
»Nein, Euer Gnaden, ein persönliches Geschenk.«
Als Richard vorsichtig die Hülle entfernt hatte, kam ein Schwert zum Vorschein. Und was für ein Schwert! Eine so kunstvolle Arbeit hatte er noch nie gesehen. Der schwere
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