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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Knauf hatte die Form eines Halbmonds, in den Drachen ziseliert waren; die Lederwicklung des Griffs trug Zierbänder aus Silberdraht; der Holzkern der Scheide war mit schwarzem Ziegenleder umhüllt und trug am Ende ein Ortband, in dem sich das Drachenmotiv wiederfand. Der weißlederne Schwertgurt war kunstvoll mit dem Leder der Scheide verflochten. Richard zog das Schwert heraus. Das Ziegenfell, das ins Innere der Scheide eingeklebt war, wisperte, als der Stahl darüberglitt. Die Klinge blitzte. Er las die Worte, die in die Blutrinne geätzt waren. Sein Unterkiefer klappte herunter.
    »Dieses Schwert«, sagte der Schwertmacher, »war gedacht für einen Mann, der von Eurem Vater auf eine Friedensmission geschickt wurde. Zum Dank ließ König Henri dieses Geschenk anfertigen. Doch der Gesandte ist nie von seiner Mission zurückgekehrt.«
    »Aber …«, stotterte Richard.
    »Die rechtmäßigen Erben dieses Mannes, der ein treuer Diener Eures Vaters war und auch Euch einer gewesen wäre, sind davon überzeugt, dass er noch lebt. Er ist verraten und in den Händen des Verbrechers Raynald de Chatillon gelassen worden, anstatt dass man ihn ausgelöst hätte. Seine Erben bitten Euch, Euer Gnaden, dieses Schwert als Geschenk anzunehmen und ihnen dabei zu helfen, ihren Vater in die Heimat zurückzuholen.«
    Fassungslos fuhr Richard mit dem Finger die Buchstaben entlang. »Vilfridus dominus de Kyme …« , murmelte er. Dann riss er sich zusammen. »Wo sind diese Erben?«
    »Sie handeln durch mich, Euer Gnaden. Mein Name ist Oswald Armorer, der beste Waffenschmied in England, wenn Ihr gestattet, Euer Gnaden. Die Erben des Mannes, dem dieses Schwert hätte gehören sollen, werden von ihrer eigenen Familie seit gestern gefangen gehalten. Ihre Namen lauten …«
    »Lady Edith und Lord Robert«, sagte Richard.
    Oswald fuhr fort: »Wenn Ihr die beiden kennt, kennt Ihr auch ihren Begleiter. Er wird zu Unrecht verdächtigt, ein Gesetzloser zu sein und sitzt unschuldig im Gefängnis. In Wahrheit ist er«, Oswald sprach den Namen aus, ohne mit der Wimper zu zucken, »der junge Sir Loxley.«
    Nun tauchten Erinnerungsbruchstücke auf. Richard sah wieder das schmale Gesicht, umrahmt von kastanienbraunem Haar, eine stolze, gerade Nase, volle Lippen … und grüne Augen, in denen Bernstein schimmerte. Sie hatte ihn vom ersten Moment an fasziniert. Er hatte sie in den Saal gebeten, weil sie draußen mit der Tapferkeit eines Mannes gehandelt hatte. Aber eigentlich hatte er sie eingeladen, weil er gehofft hatte, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in diese Augen sehen zu können. Sein Herz schlug schneller, als er an sie dachte.
    Dann wurde ihm bewusst, dass er dieselbe junge Frau vor einer Viertelstunde zur künftigen Gattin eines kleinen aquitanischen Adligen gemacht hatte.
    Oswald Armorer sah dem König ins Gesicht. »Was habt Ihr getan, Euer Gnaden?«, fragte er beunruhigt.
    Richard hörte die Unbotmäßigkeit des Mannes nicht einmal. Er hielt sich an den Armlehnen seines Stuhls fest.
    »Herr im Himmel!«, flüsterte er. »Ich hab schon wieder alles falsch gemacht.«

23
    V ictor d’Aspel war so schlecht gelaunt wie ein Bär, der in einen Abtritt gefallen war und seit Tagen bis zum Hals in der Kacke steckte. Der Vorteil war, dass er Edith und Robert in Ruhe ließ. Der Nachteil war, dass er seinen Knappen nicht zu sich pfiff, der die Gelegenheit nutzte und den lieben langen Tag neben den Kindern herritt und stichelte, stichelte, stichelte. Robert, der weder schlagfertig genug war, ihm Paroli zu bieten, noch genügend Selbstbeherrschung besaß, um so tun, als höre er die Gemeinheiten nicht, litt am meisten darunter. Außerdem kochte er vor hilfloser Wut darüber, dass Victor das Schwert, das Johnny nach London gebracht hatte, an sich genommen hatte. Edith hatte ihn schon zweimal im Schlaf schluchzen hören. Glücklicherweise hatte der Knappe es nicht mitbekommen, sonst wäre sein Spott noch unbarmherziger gewesen.
    Edith selbst fühlte sich wie erstarrt. Sie hatten sich auf den Weg zu König Richard gemacht, um von ihm Hilfe zu erhalten. Nun prangten Unterschrift und Siegel des Königs auf den Dokumenten, die ihr Schicksal besiegelten. Es wäre womöglich leichter zu ertragen gewesen, wenn ihr nicht ständig das sommersprossige, fröhliche Gesicht des Königs vor Augen gestanden hätte und wenn sie nicht immer noch die Berührung seiner Hand gespürt hätte. Die Tage waren grau und düster, obwohl in Wahrheit die Sonne schien und der

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