Löwenherz. Im Auftrag des Königs
sein sinnloser Stolz die Lage nur noch gefährlicher machte.
Der Sheriff winkte zwei Soldaten heran.
»Hängt ihn auf!«, sagte er. »Gleich draußen. Sofort. Es wird sich schon ein Baum finden.«
»Nein!«, schrie John Millers Frau. »Erbarmen!«
Der Sheriff schien das kleine Spiel zu genießen. »Erbarmen was?«
»Erbarmen, Mylord!«
»Na gut, ich hab Erbarmen. Männer – die Frau wird nicht sofort aufgehängt.«
»Mylord«, sagte Guy de Gisbourne, »mit Verlaub, aber was wird aus diesen beiden?« Er wies mit dem Kinn auf Edith und Robert.
»Was soll mit ihnen sein?«
»Sie stecken mit den Gesetzlosen unter einer Decke!«
»Tun wir nicht!«, rief Robert.
Der Sheriff musterte Sire Guy. »So ein Unsinn«, brummte er schließlich.
»Aber Mylord – denkt doch daran, was sie Euch in der Herberge angetan haben!«
»Da haben sie Euch was angetan, Sire Guy, nicht mir.« Der Sheriff grinste. »Aber ich sehe schon, wie der Hase läuft. Ihr habt noch eine Rechnung offen mit den beiden jungen Leuten.«
»So ist es«, knirschte Sir Guy.
»Und wie stellt Ihr Euch das vor?«
»Überlasst sie mir für eine Stunde – dann lasse ich diesen vorwitzigen Naseweis«, er deutete hasserfüllt auf Robert, »meine Peitsche schmecken …«
»Und was ist mit ihr?«
Einen Augenblick war Sire Guy ratlos. Der Sheriff sagte: »War sie nicht diejenige, die das mit dem Köter zu Euch gesagt hat?«
Sire Guy holte tief Atem: »Sie bekommt die Peitsche auch zu spüren!«, stieß er hervor.
»So weit kommt’s noch, Sire Guy. Ihr seid blöder als Eure Hunde, also wirklich. Solange ich hier das Sagen habe, werden keine Adligen verprügelt, auch wenn es Angelsachsen sind, und schon gar keine Frauen.«
»Aber die Frauen und Kinder hier …«
»Werden aufgehängt, aber nicht ausgepeitscht. Nur Betrüger, Ehebrecher und schlechte Weiber werden aus der Stadt gepeitscht. Wir haben die Gesetze des Königs, Sire Guy, und wir befolgen sie. Habt Ihr denn von gar nichts eine Ahnung?«
»Aber ich …«
»Das war’s. Los, schafft das Gesindel hier nach draußen, damit alle zusehen können, wie der Erste von diesen Strauchdieben zappelt.«
»Aber …«
»Ich hab Euch nicht mitgenommen, um meine Befehle mit Euch zu diskutieren!« Roger de Laci hatte unvermittelt zu brüllen begonnen. »Also macht Euch gefälligst nützlich und schafft den Abschaum aus der Höhle.«
Ein Soldat, der schon die ganze Zeit versucht hatte, die Aufmerksamkeit des Sheriffs zu erregen, hüstelte. »Wir finden keinen Strick, der lang genug ist«, sagte er.
»Lang genug wofür?«
»Um den Kerl hier aufzuhängen.«
»Dann zieht ihm die Hosen aus und hängt ihn daran auf!«, röhrte der Sheriff.
»Und was passiert nun mit den beiden?«, versuchte es Sire Guy noch einmal.
»Ihr bringt sie nach Nottingham in meine Burg!«, brüllte der Sheriff. »Ihr höchstpersönlich, und wehe Euch, sie haben hinterher auch nur einen Kratzer! Und dann finden wir raus, wer ihre Familie ist, und …«, plötzlich grinste der Sheriff, »… unterbreiten dieser ein Lösegeldangebot. Weil die Gesetze des Königs zwar verbieten, einen Adligen zu verprügeln, aber nicht, Lösegeld für ihn zu verlangen, wenn man ihm den Bruch des Königsfriedens anhängen kann und ihn deshalb eigentlich einsperren müsste. Und das, Sire Guy, wird mit diesen beiden passieren – sie werden meine Börse klingeln lassen. Alles ganz gesetzmäßig.«
Unter den Gesetzlosen richtete sich plötzlich einer der Männer auf und schlug seine zerschlissene Kapuze zurück. »Wie lange, John Miller, wollt Ihr eigentlich noch warten, bis Ihr Euch endlich auf mich beruft?«, fragte der Gesetzlose.
John Miller, der sich mit aller Macht dagegen gesträubt hatte, nach draußen geschleppt zu werden, keuchte erstickt: »Bis Ihr es mir erlaubt, Euer Gnaden.«
Edith starrte mit offenem Mund auf König Richard, der sich nun aus dem zerlumpten Gewand schälte, in das er sich gehüllt hatte. Gleichzeitig standen vier weitere Männer auf. Einer von ihnen war Guilhelm de Longchamps, der Kanzler, die anderen waren Ritter. Schwerter wurden aus Scheiden gezogen. Alle Bewegungen froren ein. Dann reagierten die Soldaten, die John Miller festhielten, und sanken auf die Knie.
»Na?«, fragte König Richard und sah den Sheriff an.
Roger de Laci zögerte keinen Augenblick. Er kniete nieder, zog sein Schwert aus der Scheide und hielt es auf ausgestreckten Armen König Richard entgegen. »Euer Gnaden, verfügt über mich«,
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