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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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um die Frage auf Latein zu wiederholen. Sein Gesicht war grau von Staub, seine Augen waren rot gerändert, seine Lippen spröde und rissig. Edith hob den mit Wasser gefüllten Lederschlauch, den sie von einem der Kamele geholt hatte. Die Tiere hatten es sich mittlerweile am Boden kniend gemütlich gemacht. »Wasser?«, fragte sie.
    Der Ritter nickte wieder.
    Sie kauerte sich an seine Seite, sorgfältig darauf bedacht, den Pfeil nicht zu berühren. Der Mann trug eine Panzerkapuze, die nur sein Gesicht freiließ. Den Kinnlatz hatte er hochgebunden. Edith löste die Lederschleife und schob dann die Kapuze zurück. Das Haar des Mannes war blond und verschwitzt. Barhäuptig sah er auf einmal sehr jung und sehr ängstlich aus. Sie ließ ihn trinken. Das meiste rann wieder zu den Mundwinkeln heraus, weil seine Zähne klapperten.
    »Wie schlimm ist Eure Verletzung?«
    »Wo … kommt Ihr her?«, fragte der Ritter.
    »Lasst mich Eure Wunde sehen«, forderte Edith entschlossen. Sie versuchte seine um den Pfeilschaft verkrampften Finger zu öffnen, aber er schüttelte den Kopf. Dann gab er doch nach und der Pfeilschaft fiel herab. Er hatte keine Spitze. Es war einfach nur einer der abgebrochenen Pfeile, die das Pferd getroffen hatten. Der Ritter war völlig unverletzt.
    Edith blickte ihn verblüfft an und der Ritter begann zu schluchzen.

8
    S ein Name war Raymond. Er war kein Ritter, nur ein Knappe. Sein Herr hieß Thibaud d’Orval und gehörte zu der Reitergruppe, die Edith und Robert überholt hatte.
    »Ich will nicht sterben!«, stöhnte Raymond mit klappernden Zähnen. »Nicht hier in diesem verfluchten Land. Nicht auf diese Weise. Nicht mit einer Sarazenenklinge in den Eingeweiden …« Er begann erneut zu schluchzen.
    »Also war, was wir gesehen haben, keine Flucht, sondern ein Ausfall?«, fragte Robert nach.
    »Mein Herr und ein paar andere wollten es wagen, bevor die Sarazenen sich ganz in Stellung gebracht haben«, erklärte Raymond stockend. »Sie versuchen so viel Essen und Ausrüstung wie möglich in der Umgebung zusammenzuraffen und in die Burg zu bringen.«
    Jetzt wurde Edith alles klar: Sie hatten den Rittern Unrecht getan. Die Männer waren keine Feiglinge, sondern hatten mit ihrem Vorstoß die Versorgung der Belagerten für längere Zeit sichern wollen. Nur wer sich schnell wieder hinter die schützenden Mauern zurückzog, hatte eine Chance, diese Mission zu überleben. Hätten sie angehalten, um Robert und Edith zu helfen, hätten die Sarazenen sie erwischt. Und der Knappe …
    »Ich konnte mich doch nicht weigern, Sire Thibaud zu begleiten«, stöhnte Raymond. »Sie sind alle aus dem Tor galoppiert wie die Verrückten! In einer Gruppe, so wie es einem beigebracht wird: Wenn Ritter angreifen, tun sie es wie eine geschlossene Mauer aus Eisen. Ich dachte, ich könnte in ihrer Mitte Schutz finden, aber ihre Phalanx war zu dicht. Es gelang uns tatsächlich, die Sarazenen abzuhängen. Sie schossen uns ein paar Pfeile hinterher, und dann …«
    Raymonds Augen weiteten sich, als er schilderte, was ihm schließlich die rettende Idee beschert hatte: die Geschosse, die sein Pferd getroffen hatten. Im ersten Moment hatte er geglaubt, er sei verletzt, hatte dann jedoch schnell bemerkt, dass er in Wahrheit gar nicht getroffen war. So bot sich ihm unversehens die Möglichkeit, sich vor der Himmelfahrtsmission zu drücken, ohne seine Ehre zu verlieren.
    »Du hast einen der Pfeile abgebrochen, dein Pferd zu Fall gebracht, dich über den Boden rollen lassen und dann den Pfeilschaft so an deinen Körper gehalten, dass es aussah, als seist du getroffen worden«, sagte Edith.
    Der Knappe nickte und wischte sich Rotz und Tränen aus dem Gesicht.
    »Und dann?«
    Raymonds Sturz war nicht unbemerkt geblieben. Sein Herr Thibaud d’Orval war zurückgaloppiert und hatte den reglos Daliegenden einmal umrundet. Raymond hatte den Atem angehalten. Sein Herr hatte erbittert geflucht und dann wieder zu seinen Kameraden aufgeschlossen. »Er ist nicht mal abgestiegen, um zu sehen, ob ich wirklich tot war!«, heulte Raymond.
    »Wenn er’s getan hätte, wärst du aufgeflogen«, erklärte Edith, deren Mitleid sich bereits in Verachtung zu verwandeln begann.
    Raymond blinzelte überrascht. »Stimmt«, sagte er dann.
    »Und wie sollte es dann weitergehen? Wolltest du dort liegen bleiben, bis die Belagerung vorüber ist?«
    »Nein. Ich wollte eigentlich auf die Rückkehr der anderen warten und dann so tun, als wäre ich doch nur verwundet

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