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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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entlud sich nun wie eine Fontäne. »Die drei interessieren dich doch überhaupt nicht«, schnaubte ich, »nicht einen Finger machst du krumm für sie. Denkst nicht einmal daran, wie es ihnen bei deinem Bruder geht.« – »Gut geht es ihnen dort! Da ist keiner, der sie verhätschelt wie du. Dort bläst ein anderer Wind, und sie lernen das Leben kennen. Aber mach dir darüber keine Gedanken, geht dich doch sowieso alles nichts mehr an.« Abdullah ließ mir keine Chance. »Herzloser Hund!«, zischte ich. »Die Kinder sind dir doch egal. Dir geht es nur um Macht.«
    »Ich kann auch anders – überleg dir, was du sagst«, stieß er noch einmal drohend hervor. »Mach, dass du fortkommst. Wenn du nicht freiwillig verschwindest, hole ich die Polizei. Du hast hier nichts mehr verloren. Wir sind geschiedene Leute.« Und nach einer Pause: »Ich hab’s dir schon einmal gesagt: Vergiss die Kinder.«
    Mit einem Mal sah ich, wie die Algerierin hinter ihm auftauchte. Ganz leise war sie herangekommen. Unter ihren Augen die Wimperntusche verschmiert, und – das gibt’s doch nicht – sie trug meine Kleider. Ich sah es sofort. Geschmackloser geht es nicht. Viel zu eng. Busen, Hüfte, Schenkel, alles an ihr war drall. »Hübsch, hübsch«, provozierte ich, nachdem ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, »deine Freundin schmückt sich mit fremden Federn.« Abdullah lehnte nun mit verschränkten Armen am Türrahmen und hatte Oberwasser: »Lass El Hemla in Ruhe. Und die Kinder auch. Die haben dich sowieso längst vergessen.«
    Mit diesem Satz hatte er mich schon einmal getroffen. Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Jetzt bloß nicht einschüchtern lassen, egal was er sagt, beschwor ich mich. Er lügt, die Kinder brauchen dich! Du wirst sie bekommen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und sah ihm direkt in die Augen: »Guck dich doch an mit deiner Schlampe«, schrie ich. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Kinder zu ihr wollen.« Da sah ich, wie seine Augenlider zuckten, aber scheinbar ruhig legte er seinen Arm um die Taille der Algerierin und grinste sie an: »Bring ihr ein paar Kleider, damit sie Ruhe gibt!« Stöckelnd verschwand sie in der Wohnung. Wie schamlos! Wollte er mich wirklich mit ein paar Kleidern abspeisen?
    Doch ehe ich mich versah, kam seine Freundin mit ein paar hastig zusammengerafften Kleidungsstücken zurück: Hose, Bluse, Rock, Strümpfe. Eins nach dem anderen reichte sie Abdullah. Wie eine Vogelscheuche sah er damit aus. »Hier bitte, da hast du, was dir gehört«, rief er und hielt mir die Sachen hin. Aber ich nahm keine Notiz davon, sondern bemerkte so kühl, wie ich nur konnte: »Ohne Koffer?« – »Du übertreibst«, herrschte er mich an, und zu seiner Freundin: »Hol einen!« Er wollte mich loswerden, nichts sonst, und zwar so schnell wie möglich.
    Wieder ging El Hemla und kam gleich darauf mit einem blauen Koffer zurück. Sie stellte ihn vor Abdullah, der bückte sich und stopfte alles hinein, während er schnaubte: »Izheb! – Los jetzt, verschwinde, es reicht!« – »Wenn ich das nur schon viel früher gemacht hätte«, gab ich zurück, richtete mich kerzengerade auf und zog mir die Ärmel meiner Jacke über die Hände. »Ich gehe. Aber die Klamotten kannst du behalten. Die schenk ich dir. Brauch ich nicht mehr. Aus, vorbei. Passen mir nicht mehr. Aus denen bin ich rausgewachsen. Gib sie deiner Schlampe!« Mit diesen Worten drehte ich mich um, ging langsam durch den Flur zur Haustür und zog sie auf. Leise fiel sie hinter mir ins Schloss. Draußen war die Welt dunkel.

Allein
    Ich lief einen schmalen Fußweg entlang. Mit meiner Plastiktüte in der Hand. Zwischen zwei Häuserblocks hindurch, die sich links und rechts von mir auftürmten wie Gebirgszüge. Ich ging schnell, meine eigenen Schritte hallten mir im Ohr. Ich ging ohne Ziel, als ob jemand hinter mir her wäre, einmal um den Block. Ich lief meiner Wut und den Tränen davon. Es dauerte keine fünf Minuten, bis ich an der Bushaltestelle nicht weit von unserem Haus ankam.
    Es musste gegen Mitternacht gewesen sein. Ich war allein, kein Mensch weit und breit auf der Straße. Ich stellte die Tasche auf die Bank und sackte in mich zusammen, plötzlich waren meine Beine schwer, kaum aufrechthalten konnte ich mich noch. Alle Wut war verflogen, da war nur noch Leere, ein abgebranntes Feuer. Ich hatte Angst, sah nach rechts und sah nach links, setzte mich und wartete. Auf was? Finster war es, alles still. Jedes einzelne

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