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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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lief ich durch die Küche. Mahmouds Haltung machte mich wütend, so wütend, dass ich kaum noch wusste, was ich sagte. »Nimmt sich eine Geliebte, dieses Schwein, prügelt mich grün und blau und lässt mich sitzen, dieses Schwein, unverantwortlich!« Mahmoud, der Kuppler, ist doch schuld an meinem jahrelangen Leiden. Wie scheinheilig er damals im Büro verkündet hat, dass er einen passenden Job für mich habe. Als Frau seines Bruders. Dass ich nicht lache. Ein Job, der mich nicht nur zur Sklavin, sondern zum Haustier degradierte.
    Alles kam jetzt hoch. Alles, wofür ich mich schämte und worüber ich nie gesprochen hatte, entlud sich auf einmal. Wenn ich nur daran dachte, wie naiv ich damals in die Ehe gerutscht war. Ich schrie, in meinem Zorn stieß ich sogar das Teeglas um, das mir meine Schwägerin eingeschenkt hatte, und die Flüssigkeit ergoss sich auf den Steinfußboden. Die Tochter kam mit einem Tuch, um es aufzuwischen.
    »Abdullah hat die Entführung der Kinder eiskalt geplant und mich sitzengelassen. Schwanger! Hörst du? Er hat mich schwanger sitzenlassen. Ich bin schwanger!« Mit keinem hatte ich bisher darüber gesprochen. Jetzt schleuderte ich Mahmoud die Sätze ins Gesicht. Meine ganze Aggression, die sich gegen Abdullah angestaut hatte, brach aus mir heraus: »Ein Kind der Gewalt!« – »Schwägerin«, sagte Mahmoud süffisant und wischte sich seine Hände an der Hose ab. »Soll ich dir das wirklich glauben? Oder willst du mich nur erpressen?« – »Frag doch deinen Bruder?«, zischte ich und merkte, wie plötzlich alle Luft aus mir heraus war.
    Aber da brachte mir meine Schwägerin schon meinen Mantel, den ich an der Garderobe aufgehängt hatte. Gehorsam wie ein Kind schlüpfte ich hinein. Er war zu groß, warf Falten auf den Schultern. Ich drückte mich an meinem Schwager vorbei, trat vor den Spiegel im Flur, ohne mich wirklich darauf zu konzentrieren, dann lief ich durch die Terrassentür hinaus auf die Straße. Jetzt erst spürte ich, wie kalt meine Füße waren. Es roch nach Thymian und Myrte, und das Wasser tropfte aus den Akazienbüschen, als würden sie weinen.
    Welche Demütigung! Warum habe ich mich bloß hinreißen lassen, von meiner Schwangerschaft zu erzählen? Was war in mich gefahren, mich dermaßen bloßzustellen? Ich schämte mich und kickte das Wasser in den Regenpfützen vor mir her, als könnte es etwas dafür. Mein Vater, sollte er je von meinem Besuch bei Mahmoud erfahren, würde toben. Die lässt sich nicht nur ihre Kinder entführen, sondern auch noch schwängern, und läuft dann kopflos zur Familie des Ehemanns und bettelt um Hilfe. Wie sollte ich ihm das erklären? Ich konnte doch nicht erzählen, dass ich mich meinen Kindern zuliebe noch einmal auf eine Beziehung mit Abdullah eingelassen hatte. Dass ich mich selbst unter Druck gesetzt habe, weil ich wollte, dass er Amal zu uns holt. Wie konnte ich ahnen, dass er mein Vertrauen so schamlos ausnützen würde?
    Ich lief den ganzen Weg von einem Ende der Stadt zum anderen zu Fuß nach Hause. Der Regen hatte wieder eingesetzt, das Wasser troff mir aus den Haaren und übers Gesicht. Es machte mir nichts aus, meine Beine waren nass bis hoch zu den Knien. Das ist das Ende, dachte ich. Keiner mehr da, den ich um Hilfe bitten kann. Kann ich unter solchen Umständen ein viertes Kind bekommen?
    »Nein«, sagte meine Mutter hart, »kommt nicht in Frage.« Nach ein paar Tagen hatte ich mich durchgerungen, mich ihr anzuvertrauen. Wir waren allein. Sie saß in der Küche, hatte ihre Hände im Schoß gefaltet, ich zog mir einen Stuhl heran, setzte mich neben sie und sprudelte einfach drauflos. Ich hab sie gar nicht angesehen, weil ich mich genierte, aber ich erzählte alles: von der Hochzeitsnacht bis zu Abdullahs Schlägen, von meiner Einsamkeit in Hamburg, von meiner Abhängigkeit, meinen Depressionen, von meiner Sorge um die Kinder und von meiner neuen Schwangerschaft. So in Fahrt war ich, dass ich gar nicht bemerkte, wie meine Mutter anfing zu weinen. Erst als sie mit ihren Fingern nach meinem Gesicht tastete, unsicher wie eine Blinde, hörte ich auf. Ihre Hände waren weich wie Filz, sie rochen nach Oliven. Ich nahm sie in meine und legte demütig meinen Kopf hinein. Warum hatte ich das nicht früher gemacht?
    »Ich werde dir helfen«, murmelte die Mutter. »Keiner soll davon wissen.« Sie wusste, was ich litt. »Kümmere dich um die Kinder, die du hast«, räusperte sie sich und zog geräuschvoll die Luft durch ihre tränennasse

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