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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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müssen. Eine, die weniger Miete kostet.« – »Ich würde gerne hier über der Bäckerei bleiben.« – »Das können wir uns nicht leisten.« – »Aber für die Kinder ist es schön hier, die Leute sind nett, und ich gewöhne mich langsam an die Gegend.« – »Erinnerst du dich an unsere Freunde von der Fahrt auf dem Schiff nach Hamburg? Sie haben ganz in der Nähe von hier eine billige Wohnung gefunden. Im gleichen Haus gibt es eine kleine Einliegerwohnung im Erdgeschoss. Ohne warmes Wasser, Toilette ist auf dem Flur.« – »Und wie bade ich dort das Baby jeden Tag?« – »Du stellst dich blöder an, als du bist. Hast du vergessen, wie wir es zu Hause gemacht haben? Wir können uns hier keinen Palast leisten, wenn wir ein Haus in Tunesien bauen wollen.« – »Und wenn ich auch arbeiten würde? Lass mich mithelfen, Geld zu verdienen. Dann könnten wir diese Wohnung behalten.« – »Nein. Kommt nicht in Frage.« – »Warum nicht?« – »Denkst du eigentlich mal an die Kinder? Wer soll sich dann um Jasin und Amin kümmern? Rabenmutter.« – »Nein, viele Frauen arbeiten.« – »Ich habe schon zugesagt. In zehn Tagen ziehen wir um.« – »Was? So schnell?« – »Du kannst anfangen zu packen. Dann hast du genug Arbeit.« Damit war für Abdullah die Diskussion erledigt. Aber zum ersten Mal hatte ich ihm widersprochen.
    Es muss die Geburt von Jasin gewesen sein. Sie hatte mich verändert, und ich spürte etwas, das ich bisher nicht kannte. Verantwortung, was immer das war. Meine Kinder brauchten mich. Ich wollte keine kleinere Wohnung ohne warmes Wasser. Nicht wegen mir, sondern wegen der Kinder. Wir zogen trotzdem um. Eine Wohnung gleich um die Ecke. Sie war ebenerdig, kalt und ungemütlich. Die Eingangstür knarzte, die grünlich-gelben Fliesen an den Wänden des Hausflurs hatten Sprünge, der Boden war schmierig. Im ganzen Haus roch es nach einer Mischung aus Urin und Schimmel.
    Aber wenn ich aus dem Küchenfenster sah, sah ich direkt in die Kastanienbäume und Birken auf einem Kinderspielplatz. Still lag er da, umrahmt von Buchsbaumhecken. Mitten in einem großen Sandkasten war eine riesige verwitterte Baumwurzel eingegraben. Vom ersten Moment an liebte ich diese Wurzel im grauen Sand. Wie ein rotbrauner Felsblock in der Wüste, nur weicher. Es war Winter, Schneeregen, als wir in die neue Wohnung zogen. Doch noch am selben Tag ging ich mit Amin raus und zeigte ihm den Spielplatz. Er krähte, rannte auf den Sandkasten zu und ließ sich in den Schneematsch fallen. Gleich stand er wieder auf und turnte wie ein Weltmeister über die Wurzel. Auf der einen Seite hoch, auf der anderen kugelte er herunter. Nach kaum fünf Minuten war er von Kopf bis Fuß nass und dreckverschmiert. Aber er lachte und ich auch. Zum ersten Mal war ich mit ihm draußen spielen gewesen, unter freiem Himmel, auch wenn es kalt war. Egal, hier konnte ich atmen, die Kinder sehen, wie sie kletterten, und hören, wie sie schrien. Hier wurde ich selbst ein wenig zum Kind.
    Der Spielplatz war von diesem Tag an mein Lieblingsort. Ich nahm meinen sechsmonatigen Jasin und setzte mich mit ihm auf das Holzbrett der Schaukel. Wenn ich uns anstieß, jauchzte er. Es gab aber auch Tage, an denen ich mich viel zu schwer fühlte, um rauszugehen, und nichts von der Ruhe, die der Schnee über die Stadt legte, mitbekam. In mir war ein nervöses Durcheinander von Gedanken. Und mir war kalt, eigentlich immer, trotz des langen braunen Daunenanoraks, den mir Abdullah vom Einkaufszentrum mitgebracht hatte. Ich zog ihn sogar in der Wohnung an, schlüpfte in gefütterte Schuhe, einen Teppichboden hatten wir nicht mehr. Dann stellte ich mich wieder ans Fenster. Sah, wie die Nachbarn ihre Schaufeln zur Hand nahmen und mit ihnen über das Pflaster kratzten, um den Schnee wegzuräumen. Schon frühmorgens, bevor die Schulkinder unterwegs waren. Schraaaap, schraaaap, schraaaap, ein Geräusch, das sich für mich nach Kerzen und Weihnachten anhört und das ich vermisse, wenn ich es einen Winter lang nicht höre. Ein typisch deutsches Geräusch.
    Morgens, bevor die Kinder wach wurden, habe ich Holz und Kohle aus dem Keller geholt, um den Herd anzufeuern. Dann stellte ich einen Topf mit Wasser drauf und machte Badewasser für die Kleinen warm. Ich schüttelte das Milchfläschchen für Jasin und fütterte Amin mit Reisbrei, leerte das restliche Wasser in die Plastikbadewanne auf dem Küchenstuhl. Wenn die Kinder sauber waren, wusch ich die Wäsche darin, kochte für

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