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Loewenmutter

Loewenmutter

Titel: Loewenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esma Abdelhamid
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Ledertäschchen, ich mit dem Kind auf dem Arm ihm hinterher. Verstohlen fasste ich nach dem einen oder anderen Teil. Später ließ er mich alleine aussuchen und rauchte in der Cafeteria seine Zigarette, während ich mit Amin die kleine Freiheit zwischen den Kleiderständern genoss.
    Nachdem wir bezahlt hatten, steuerte Abdullah in Richtung Damenabteilung. Ich war noch nie dort gewesen. Überhaupt hatte ich noch nie ein Kleidungsstück in Deutschland gekauft. »Such dir was aus«, sagte er jetzt. Mein Gott, wie aufgeregt ich war. Nur auf unserem Markt in Tunesien hatte ich bisher so viele Kleider gesehen. Aber nicht so ordentlich aufgehängt, sondern alle auf einem Haufen. Ich sah nach Abdullah, er griff wahllos in einen Ständer und zog ein langes schwarzes Kleid heraus: »Probier mal an.« Dass er mir das anbot, fand ich seltsam. Wo war eine Umkleidekabine und wohin mit dem Kind auf meinem Arm? Ich war ratlos und schüttelte den Kopf.
    Was ich anziehen durfte, Rock oder Hose, ob ich mit Kopftuch oder ohne unterwegs war, bestimmte er. Ich war sein Beiwerk, nach Lust und Laune garniert und ausstaffiert. So brauchte ich mir selbst keine Gedanken zu machen. Ich dachte, das sei normal und bei allen so. Der Mann versorgt die Familie mit allem, was sie braucht, und er bestimmt auch, was sie braucht. Kleidung oder Essen. Abdullah stopfte uns sogar voll. Und wenn er gekonnt hätte, hätte er wahrscheinlich auch über die Luft, die wir zum Atmen brauchen, bestimmt.
    Er nahm mir die Luft, ohne dass ich es richtig bemerkte. Mein Radius war klein. Noch immer kannte ich von Hamburg nicht mehr als die Straße vor unserem Haus. Nachdem ich morgens Amin versorgt hatte, legte ich mich meistens wieder ins Bett und stand nur auf, um zu putzen und zu waschen, ich aß unregelmäßig und war immer zu dünn. Nur ab und zu ließ mich Abdullah alleine einkaufen gehen. Nicht den großen Wocheneinkauf, sondern alltägliche Dinge, die ausgegangen waren. Butter, Milch, Eier, Windeln und Creme. Dann setzte ich Amin in den Kinderwagen und ging um die Ecke zu Penny. Es waren schöne Ausflüge, genießen konnte ich sie trotzdem nicht. Und wenn ich mich inmitten all der Menschen, die ich nicht kannte und mit denen ich kein Wort wechseln konnte, entdeckte, spürte ich meine Einsamkeit umso deutlicher. Kein »Wie geht’s?«. Kein »Danke, gut!«.

    Dann kam der zweite Sohn. Die Geburt war überraschend leicht und ging schneller als die erste. Wieder setzte mich Abdullah am Krankenhaus ab und kam, nachdem das Kind geboren war. Den Namen überließ er dieses Mal mir. Ich nannte den Jungen Jasin. Er gefiel mir, ich hätte ihn an mich nehmen und küssen mögen, aber wie schon bei Amin überfiel mich wieder diese merkwürdige Zurückhaltung und Scheu. Eine befremdliche Distanz, die mich davon abhielt, in Liebe auszubrechen. Obwohl ich Lust dazu hatte. Wo war meine jugendliche Überschwänglichkeit geblieben? Herausgeprügelt! Oder an einem Ort verbarrikadiert, wo sie unverletzlich war.
    Ich legte wieder mein Kind, das mich so viel Kraft und Tränen gekostet hatte, neben mich auf die Kissen und betrachtete es. Wie zart und zerbrechlich es war. Ich strich über sein Gesicht und seine Ärmchen, und es schloss sein kleines Händchen um meinen Finger. Da bekam ich eine Gänsehaut, so schön war es. Ich war nicht glücklich, das ist das falsche Wort, aber ich freute mich. Die Kinder gaben mir einen Sinn. Ich genoss die Zeit im Krankenhaus wie einen Urlaub, in dem ich verwöhnt wurde. Ohne Schläge und Gleichgültigkeit.
    In Tunesien bleibt eine Frau traditionell nach einer Geburt 40 Tage im Bett, um sich zu erholen. Ich blieb so lange wie möglich im Krankenhaus. Ich bettelte sogar darum, so groß war meine Angst vor dem Leben mit meinem Mann. Als ich nach 14 Tagen nach Hause entlassen wurde, fand ich die Wohnung unaufgeräumt vor, überall stand schmutziges Geschirr und lag Wäsche herum, und es war kalt. Obwohl Sommer war. Was wollte ich hier? Ich ließ die Tür offenstehen, damit der Duft des warmen Brotes aus der Bäckerei hineinziehen konnte.
    »Ich habe mit deinem Vater über ein Haus in unserer Heimatstadt gesprochen«, fing Abdullah eines Nachmittags an. Er lag auf dem Sofa und rührte seinen Nescafé, während ich das Baby fütterte. – »Ja und?« – »Wir werden sparen müssen, um eins bauen zu können.« – »Ich habe kein Geld, das ist deine Sache«, erwiderte ich. – »Weiß ich, aber ich werde mich nach einer kleineren Wohnung für uns umsehen

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