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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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öffnete sich ihr Gebiß zu einem gedehnten Schrei, der wie das Wiehern eines Pferdes klang, und bevor ich zusammenbrach, sah ich einen Augenblick ihre aufgerissenen Lippen, von denen Blut tropfte. Jetzt aber legte sie die Arme um mich, als wäre der Sturm vorbei, und ich glaubte, das Weitere meinem Knecht überlassen zu dürfen, als siesich aufbäumte, mich abwarf, zur Seite stieß und auf den Rücken legte. Dann packte sie meine Knöchel, faltete mir die Hände auf der Brust, drückte ihre Finger auf meine Wunde und begann, den verwaisten Knecht mit meinem eigenen Blut zu salben.
    Als wir uns säuberten, floß das Wasser rötlich durch die Rinne ab; Nadja nahm mich bei der Hand und trocknete erst mich, dann sich selbst mit den Fetzen unserer Kleider; nackt verschwand sie durch die Tür. Ich setzte mich ebenso nackt ans Pult; die Schulter blutete nicht mehr, aber noch war der Abdruck jedes einzelnen Zahns zu sehen, bevor die blaurote Schwellung überhandnahm. Die Wunde pulsierte, als ich den liegengebliebenen Brief in den zweiten Band von Golownins Reise steckte, neben den des Geheimen Rats.
    Wenig später erschien Nadja in Ockergelb und trug die stahlblaue Gegenfarbe wie ein gefaltetes Kissen auf den Händen, darauf ein schwarzes Lacktablett mit rotem Rand, auf dem ein Sakefläschchen mit zwei ganz flachen Bechern stand; sie waren schwarz und ziegelrot, das Innere golden. Sie stellte das kleine Gedeck aufs Bärenfell, kam herüber, küßte mich auf die Lippen und prüfte meine Wunde. Dann zog sie ein Fläschchen Alkohol aus dem Ärmel, sprengte den Inhalt darüber, und der dumpfe Schmerz brannte wieder lichterloh. Dann aber legte sie den Verband darum, den sie gleichfalls aus dem Ärmel zog, und knüpfte die aufgetrennten Enden der Binde um meinen Hals zusammen. Sie arbeitete fein und sachlich, ihre Hände trugen, wie immer, keinen Schmuck, während sie den Mund zum ersten Mal magentarot geschminkt und die Augenbrauen zu einem dünnen Strich rasiert hatte; aus ihrem Dekolleté stieg ein Hauch von Rosenwasser. Dann schüttelte sie den Mantel aus seinen Falten, die knackten, als sie mir hineinhalf. Ich zog den Gürtel zu, und wir knieten mit verkehrten Farben vor dem Tablett auf dem Bärenfell.
    Wir betrachteten immer noch wortlos das Ensemble der kleinen Gefäße; das Fläschchen vereinigte hälftig die Farben der Becherchen, und jede Seite zeigte die feine Goldzeichnung eines Drachen,der einmal aufwärts, einmal abwärts flog. Nadja wartete, bis ich das rote Schälchen erhoben hatte, dann schenkte sie so viel Reiswein ein, daß es fast bis zum Überfließen gefüllt war; ich stellte es heil auf das kleine Tablett zurück; dann kam es an mich, Nadjas schwarzem Schälchen den Gegendienst zu leisten. Auch bei ihr stieg die Flüssigkeit so hoch, daß sich ihre Oberfläche noch über den Rand zu wölben schien, und auch sie stellte es ab, ohne einen Tropfen zu verschütten. Nachdem alles wieder auf seinem Platz stand, hoben wir die Schalen gleichzeitig auf Mundhöhe.
    Kanpai
, sagte sie. – Jetzt ist er tot.
    Wir schlürften, wozu wir uns in die Augen sahen; ich wollte das Schälchen absetzen, aber Nadja hatte das ihre wieder erhoben. Wir schenkten und tranken, der goldene Grund verdunkelte sich von unsern geneigten Gesichtern und wurde, als er wieder im Licht schimmerte, zum dritten Mal mit Sake bedeckt; diesmal tranken wir aus und stellten die Schälchen ab.
    Das kleine Service kam mir bekannt vor.
    Resanow hatte sich Lackwaren auf die Ratteninsel kommen lassen, und da er sie nicht, nach seinem Wunsch, en gros erwerben konnte, hatte er einzelne, die ihm ins Auge stachen, als Geschenke behandelt und vor der Abreise auf andere Teilnehmer der Expedition verteilt, damit sie bei der Schlußinspektion der
Nadeschda
als persönliches Eigentum passiern konnten. So war auch Horner zu einer Garnitur gekommen und hätte sie dem unrechtmäßigen Besitzer nach der Ausfahrt wieder abliefern müssen. Doch im Ärger über den Fehlschlag seiner Gesandtschaft hatte Resanow versäumt, die zerstreuten Muster wieder einzufordern. Ich hatte das Geschirr bei Horner gesehen, als er sich fragte, ob er unrecht Gut nach Hause nehmen dürfe.
    Er hat es mir geschenkt, als Entschuldigung für das erste Mal, sagte Nadja.
    Und aus Dankbarkeit für das zweite?
    Sie lächelte. – Geweint hat er jedenfalls nicht mehr, und für ein Räuschchen in Ehren war ich ihm gut genug. – Auf Ihren Freund Caspar Horner.
    Ich hob das Schälchen und sagte: ein

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