Loewinnenherz
sagte ihm, wie sehr ich litt, und bat ihn, mich zu retten. Er antwortete mir: „Beweise mir deine Geduld, und ich werde dich retten.“
Ich wachte auf und fühlte mich wunderbar aufgehoben. Und ich wusste: Gott wird mich retten. Bis dahin musste ich ihm meine Geduld beweisen. Und wieder hatte ich genug Kraft, um eine Weile durchzuhalten.
Ich weiß gar nicht, wie ich beschreiben soll, wie schwer es für mich war, meine Hoffnungen auf ein besseres Leben aufrechtzuerhalten. Denn meine Familie und vor allem mein Mann taten alles dafür, dass mein Selbstvertrauen verkümmerte. Wenn man ständig Schmerzen hat und sich nur mit Blutergüssen im Spiegel sieht, dann ist es unmöglich, irgendetwas am eigenen Körper attraktiv zu finden. Während meiner Schwangerschaft hatte ich vierzig Kilo zugenommen, und ich fühlte mich wie eine hässliche, alte Tonne. Dazu kam noch meine Nase, die schief und krumm aus meinem blassen Gesicht hervorstach.
In der Schule war eine junge Frau, die ich wegen ihrer schönen, geraden und formvollendeten Nase heimlich bewunderte. Eines Tages standen wir während einer Zigarettenpause zusammen vor der Tür, als sie sagte: „Sag mal, warum starrst du mich eigentlich immer so an?“
„Weil du eine so schöne Nase hast“, gestand ich. „Und weil meine so hässlich ist.“
|107| „Weißt du was“, antwortete sie, „meine war auch ganz hässlich. Und dann hab ich sie operieren lassen. Warum machst du das nicht auch?“
„Aber das tut doch so weh“, wandte ich ein, „und außerdem ist so eine Operation viel zu teuer.“
„Ich war bei einem ganz tollen Arzt, da war das gar nicht teuer, und wehgetan hat es auch überhaupt nicht. Wenn du willst, gebe ich dir die Adresse.“
Tatsächlich übernahm die Krankenkasse die Kosten für meine Nasenoperation, da sie aus medizinischer Hinsicht dringend erforderlich war. Ich bekam mit dieser deformierten Nase kaum Luft. Und so wurde meine Nase operiert. Als ich, nachdem endlich alles vorbei war und die Schwellungen zurückgegangen waren, in den Spiegel sah, da wusste ich, dass diese Operation ein Anfang war. Ein Anfang in die richtige Richtung, der Anfang eines Weges in die Freiheit. Denn auf einmal fand ich mich gar nicht mehr so hässlich. Und wenn mich Refik von nun an schlug, so achtete ich stets darauf, dass nur ja meine Nase heil blieb.
Schließlich rückte der Termin der Prüfung im Dezember 1996 näher.
„Du gehst da nicht hin!“, brüllte Refik.
„Und ob ich da hingehe“, schrie ich zurück. „Und wenn ich die Prüfung schaffe, dann geh ich fort und du siehst mich nie wieder!“
Eigentlich hatte ich das nicht sagen wollen, es war mir einfach rausgerutscht. Von da an wusste er, was er zuvor nur geahnt hatte: dass er Gefahr lief, mich zu verlieren.
Seine Gewalttätigkeit und unsere Streitereien steuerten auf einen neuen Höhepunkt zu. Mir war das egal. Ich lernte fieberhaft, sooft ich nur konnte, vor allem nachts. Ich hatte eine Technik entwickelt, die mir mein Leben lang bleiben sollte. Wenn ich eines meiner Bücher aufschlug und mich in den Lernstoff vertiefte, dann blendete ich alles andere aus: Meine Wut, meine Angst, meine Schmerzen – einfach alles. Ich lernte, denn es |108| ging um mein Leben. Und ich entwickelte eine Entschlossenheit, von der auch Refik spürte, dass er nicht gegen sie ankam.
„Ich schließe dich ein. Ich binde dich fest. Ich lass dich nicht aus dem Haus.“
„Dann brech ich die Tür auf und rufe die Polizei. Ich zeige dich an. Du kannst mich nicht aufhalten. Du nicht.“
Am Tag vor der Prüfung schlug er mich so brutal, dass ich meinen rechten Arm nicht bewegen konnte. Ich konnte nicht mehr schreiben. Aber wenn Refik geglaubt hatte, dass er mich so leicht bezwingen könnte, dann täuschte er sich. Ich ging zur Prüfung und stützte mit meiner linken Hand die rechte, und schrieb ein Wort nach dem anderen, Antwort für Antwort nieder. Ich biss die Zähne zusammen und blendete alles aus: Wut, Schmerz, Verzweiflung und Angst, selbst meine Euphorie. Und dann war die Prüfung vorbei und wir mussten die langen Wochen bis Februar auf die Ergebnisse warten.
Im Januar wurde es so schlimm zwischen Refik und mir, dass ich wieder einmal mit Berna ins Frauenhaus zog, diesmal in Nürnberg. Es war eine Art Atemholen für uns, eine Auszeit. Ich wusste, dass ich wieder zurück musste, doch es gab Momente, in denen meine Angst vor ihm so groß wurde, dass ich glaubte, er würde mich tatsächlich totschlagen, wenn ich zu
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