Loge der Lust
nicht die Armbanduhr …“
Josh unterbrach sie. „Die Uhr war an Woodridges Handgelenk. Die Prostituierte musste fliehen. Es hätte zu viel Zeit gekostet, sie zu nehmen.“
„Oh, bitte! Die Frau hätte nur den Verschluss öffnen müssen. Die Hände des Grafen waren zu diesem Zeitpunkt noch hinter seinem Rücken gefesselt. Er hätte sich kaum wehren können. Anstatt etwas zu stehlen, das sie problemlos hätte verkaufen können, entwendet sie die Brieftasche.“
„Vielleicht hat sie Verbindungen, jemand, der das nötige Know-how und Equipment besitzt und Kreditkarten auslesen kann. Verbrecher kennen sich untereinander“, antwortete er mit vollem Mund.
Teena schluckte einen Bissen frittierten Merlan hinunter. „Für mich ist das zu viel Spekulation.“
„Es gibt genug dumme Kriminelle. Es ist auch möglich, dass sie nur die Gelegenheit beim Schopf gepackt hat. Sie hat das Erste geraubt, das ihr in die Finger kam, und ist in Panik auf und davon.“
Teena spülte mit Cola nach. „Panik? Der Earl stellte sie eher als berechnend dar.“
„Geschädigte sehen die Dinge manchmal anders, als sie tatsächlich waren, weil sie betroffen sind und sich verletzt fühlen.“
„Machte Woodridge diesen Eindruck auf dich?“ Sie stülpte die Verschlusskappe auf die Flasche, damit kein Insekt hineinfliegen konnte.
„Er war aufgeregt.“
„Wohl eher, weil Matthew sich nicht gerade verhielt, als würde er ihm gerne helfen wollen.“ Da Joshua den Mund öffnete, offensichtlich um zu protestieren, fuhr sie schnell fort: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Zusammentreffen im Garten der Sore'schen Villa zufällig war.“
„Was meinst du damit?“
„Nun, zum einen hatte die Dame mit der pinkfarbenen Perücke laut William Sore gar keinen Streit mit ihm wegen des Honorars …“
Josh hob die Hand. „Das kann er behaupten, um sich zu schützen, weil er sie übers Ohr gehauen und sie nackt vor die Tür gesetzt hat.“
„Würde er das wirklich tun? Überleg doch mal.“ Teena fischte nach der letzten Pommes, die in der Spitze der Tüte festklebte. „Als Bankdirektor hat er nicht nur viel Geld …“
„Die Reichsten sind meist am geizigsten.“
„… sondern auch einen Ruf zu verlieren.“
„Wer glaubt schon einer Hure?“
„Neider, Konkurrenten, falsche Freunde“, zählte sie auf. „Manchmal reicht ein Gerücht, besonders auf dem Land.“
„Vorsicht!“ Sein Blick verfinsterte sich. „Wir sind in einer Kleinstadt und nicht in einem Dorf, das aus zwei Bauernhöfen und einem Misthaufen besteht.“
„So war das nicht gemeint.“ Sie legte die Hand auf seinen Unterarm. „Entschuldige bitte.“
„Wenn du nicht so süße Sommersprossen hättest“, entgegnete er und lachte.
Damit hatte Teena nicht gerechnet. Sie zog die Hand weg und aß hastig die letzte Pommes. Dann knüllte sie die Tüte zusammen. „Was ich sagen wollte, war, dass die Situation am Plonge mir schlichtweg zu unwahrscheinlich ist. Keine Frau würde sich in einem Bach waschen, sondern in ihr Auto steigen und nach Hause fahren, um dort zu duschen, egal ob nackt oder angekleidet.“
„War sie denn mit dem Auto da?“
Sie seufzte. „Das haben wir wohl vergessen zu fragen.“
Joshua kramte in seiner Gesäßtasche und holte ein Moleskin-Notizbuch heraus. Ein Kugelschreiber steckte in der Brusttasche seines Hemds. Er nahm ihn und notierte die Frage. „Vielleicht kam sie mit dem Taxi und fuhr damit auch wieder.“
„Dann müssten wir die Taxinummer feststellen lassen und könnten eventuell herausfinden, wo das Taxi sie nach dem Vorfall abgesetzt hat.“
„Nach dem Lunch werde ich ins ‚Flesh‘ nach Alnick fahren. Dort müsste man die Lady in Pink eigentlich kennen“, sagte Josh. „Somit ist mein Büro frei, und du kannst dort weiterarbeiten.“
„Ich würde gerne mitkommen, aber ich weiß nicht, ob Matthew mich lässt.“ Teena ging zum Mülleimer und warf Tüte und Servietten hinein. Dann kehrte sie an den Tisch zurück. „Die Akten laufen nicht weg, die Lady in Pink schon.“
„Schau erst einmal, wie er gelaunt ist, wenn wir wieder auf dem Revier sind. Heute scheint ihm eine Laus über die Leber gelaufen zu sein.“
Und die heißt Ethan Woodridge, Earl of Cunninghall, fügte Teena in Gedanken hinzu. Sie schraubte den Verschluss ab, setzte die Flasche an die Lippen und beobachtete geistesabwesend die Möwen, die über dem Hafen kreisten. Ohne getrunken zu haben, stellte sie die Flasche wieder auf den Stehtisch. „Ich
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