Loge der Lust
ich es für Monica. Ihretwegen habe ich eingewilligt.“ Er lächelte diskret. „Normalerweise sind die Richtlinien für mich heilig. Denn wenn sich schon die Polizei nicht an Regeln hält, wer dann?“
Teena wurde puterrot. „Sie haben recht. Wahrscheinlich sollte ich Sie nicht um diesen Gefallen bitten.“
„Aber Monica meinte doch, Ihr Leben würde davon abhängen.“
„Es handelt sich auch nicht um etwas Illegales.“ Sie legte den Jutebeutel auf den Tisch, holte die Plastiktüte heraus und zeigte ihm die Perücke.
„Außergewöhnliche Farbe.“
„Das ist der Gegenstand, um den es geht“, sagte sie leise und vermied den Begriff „Beweisstück“, damit er nicht fragte, ob die falschen Haare zu einem laufenden Fall gehörten, und einen Rückzieher machte. „Wenn Sie die Perücke auf Rückstände untersuchen könnten, die auf den Träger schließen lassen, und diese mit der Datenbank abgleichen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar – und Monica auch.“
„Haben Sie sie angefasst, Teena?“
Beschämt räusperte sie sich. „Das ließ sich nicht vermeiden, leider. Ich denke, ich sollte Ihnen Proben meiner Fingerabdrücke und Haare geben.“
„Haare?“ Kritisch hob er die buschigen Augenbrauen.
Teena nickte stumm. Er ahnte auch ohne ihre Beichte, dass sie die Perücke aufgesetzt hatte. Sie fühlte sich elend. Wie hatte sie nur in solch einen Schlamassel geraten können? Sie hatte alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte.
Sly zog die Tüte aus dem Jutebeutel und stand auf. „Ich werde sehen, was sich machen lässt. Bitte folgen Sie mir, damit wir Ihre Fingerabdrücke nehmen können.“
Nachdem Teena diese erniedrigende Prozedur über sich hatte ergehen lassen und auch einige Haare geopfert hatte, verabschiedete sie sich. „Ich danke Ihnen sehr. Wann darf ich Sie wegen der Ergebnisse anrufen?“
„Ich melde mich bei Ihnen“, entgegnete Sly und schüttelte ihre Hand. Er brachte sie zum Aufzug.
Teena stieg ein. „Tun Sie mir einen Gefallen?“
„Noch einen?“, fragte Sly, der vor dem Lift stehen blieb, sarkastisch.
„Rufen Sie doch gelegentlich mal Monica Stew an. Sie würde sich bestimmt freuen, öfter von Ihnen zu hören.“ Lächelnd drückte Teena auf den Schalter für das Erdgeschoss. Bevor sich die Tür schließen konnte, rief sie: „Ach, und bitte, sagen Sie ihr nicht, dass ich zu spät zu unserem Termin gekommen bin.“
Sie fuhr mit dem Lift nach unten und schlenderte zum Wagen zurück. Zum Glück hatte man sie nicht abgeschleppt. Ihr schlechtes Gewissen spornte sie an, schnell einzusteigen und wegzufahren. Da sie Matthew gegenüber behauptet hatte, den freien Nachmittag zu benötigen, um zum Einwohnermeldeamt zu gehen, sollte sie dies auch tun. Sie war noch immer bei ihren Eltern in London gemeldet. Die Ummeldung würde sie wieder ein Stück selbstständiger machen, wenn auch zunächst nur auf dem Papier.
Im Vorüberfahren fiel ihr Blick auf ein riesiges Schild. „ Municipal Library Newcastle upon Tyne“ stand darauf mit kobaltblauen Blockbuchstaben auf weißem Untergrund. Die Beschichtung reflektierte das Sonnenlicht und blendete Teena.
„Die Stadtbibliothek!“, jauchzte sie. „Natürlich. Dort könnte ich Informationen finden, die mich weiterbringen.“
Sie suchte sich einen Parkplatz und eilte zum Treppenaufgang hinüber. Die Bibliothek war ein hochmoderner Gebäudekomplex, der viele Fensterfronten besaß. Die Fensterrahmen waren allesamt blau und setzten sich von der Granitfassade ab. Als Teena den Vorraum betrat, blieb sie vor einer Tafel stehen. Der Wegweiser zeigte an, in welcher Etage welche Abteilung zu finden war. Teena staunte über die Vielfalt des Angebots. Sie hatte gedacht, es gäbe hier nur Bücher. Aber ebenso fand man elektronische Medien, wie Filme und Vorträge auf Video, DVD und Dia, und eine Musikbibliothek. Es gab Computer-Arbeitsplätze, Internetzugänge, Datenbanken, einen Bereich, in dem Zeitungen jüngeren Datums auslagen, während man die älteren Ausgaben auf Mikrofilm archiviert hatte, und einiges mehr …
Teena hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Sie wusste ja nicht einmal, wonach genau sie suchte. Ihr fehlte das entscheidende Puzzlestück im Fall Woodridge, eine Information, die das Gesamtbild deutlicher machte. Aber wie dieses Puzzlestück aussah, konnte sie nicht einmal erahnen. Nur eines wurde ihr mit einem Mal klar: Der Fall hatte längst auf ihr Privatleben übergegriffen.
Und das war ihre eigene Schuld
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